Hauptsache, es schmeckt

Ökoverbände und das Bundesministerium für Verbraucherschutz fordern einen Wandel von gesunden Lebensmitteln hin zum Genussmittel. Der findet auch statt. Bio kommt sogar ins Fast Food

von CHRISTINE BERGER

Letztlich entscheidet die Zunge: Ob die Wurst auf dem Teller aus konventionellem oder aus Ökohandel stammt, lässt sich noch lange nicht am Geschmack erkennen. Zwar ist Biowurst agrarpolitisch korrekt, doch schlecht gewürzt macht sie eben nicht viel her. Eine Erkenntnis, die mittlerweile auch Ökoverbände wie Demeter oder Bioland umtreibt. „Für Spitzenköche ist es selbstverständlich, regionale Spezialitäten in Bioqualität zu verarbeiten“, so Demeter-Pressesprecherin Renée Herrnkind. In diesen Kreisen sei das Zertifikat Bio allerdings tabu, viele würden damit immer noch das Körnerimage von einst verbinden.

Dieses Image endlich abzuschütteln ist den Verbänden zwar seit Einführung von Convenience-Produkten mit bunt verpackter Biotiefkühlpizza und Ökowürstchen aus der Dose schon ein Stück weit gelungen. Doch angesichts des stagnierenden Absatzes ist man darauf bedacht, neue Register zu ziehen. So beliefert die bayrische Biolandmolkerei Andechs etwa seit Mitte Juni alle deutsche McDonald’s-Filialen mit Milch.

Dass Genuss nun auch ein Thema der Ökobranche geworden ist, freut besonders die Slow-Food-Bewegung, die sich international in der Förderung der Ess- und Agrarkultur engagiert. „Bio ist keine Garantie für gutes Essen“, so Marita Odia, Mitglied im Bundesvorstand Slow Food Deutschland. „Geadelt wird bei uns ein Produkt erst, wenn auch der Geschmack stimmt.“

Der wiederum ist oft schon im Saatgut begründet, weshalb das Bundessortenamt seit neustem vor der Zulassung einer neu gezüchteten Saat auch eine Geschmacksverkostung veranlasst. „So wird nicht mehr nur Quantität, sondern auch Qualität getestet“, freut sich Renée Herrnkind von Demeter.

Guter Geschmack soll künftig auch auf bundespolitischer Ebene bei der Ernährungserziehung eine größere Rolle spielen. So veranstaltete Bundesverbraucherministerin Renate Künast in der vergangenen Woche einen Kongress zum Thema „Kinder und Ernährung“. Ein wichtiger Bestandteil war unter anderem das Thema Genuss und Image in Bezug auf gesunde Lebensmittel. Die Ministerin forderte in ihrer Eröffnungrede ein „cooleres Image“ für gesunde Lebensmittel. Und sie meint, dass Kinder lernen müssten, gutes Essen zu genießen.

Doch da haben auch die Erwachsenen Nachhilfeunterricht nötig. Wer berufstätig ist, spachtelt in der Mittagspause sein Essen schnell hinunter, was man übrigens in der Restaurantkantine der taz sehr schön exemplarisch beobachten kann. Und zu Hause kommen häufig Fertiggerichte auf den Tisch, das gemeinsame Essen fällt selbst in Familien immer häufiger flach.

„Essen hat hohen sozialen Stellenwert“, kommentiert Odia den Trend. Zusammen am Tisch zu sitzen und zusammen zu genießen sei ein prima Unterhaltungsprogramm. Eventcharakter habe auch das gemeinsame Kochen oder Einkaufen auf dem Markt. „Wer mit seinen Kindern Erdbeeren pflücken geht, tut etwas für die Ernährung und hat zugleich etwas erlebt“, so Odia. So bleibt Essen als sinnliches Erlebnis im Gedächtnis.

Auch Arbeitsessen dienen letztendlich der Problemlösung mit Hilfe von Genuss. Wenn etwa die Möhre, die beim Kanzler auf dem Teller liegt, aus ökologischem Anbau kommt und auch noch gut schmeckt, ist schon einiges erreicht.