Revolution. Quark. Reklame

Che wirbt für Autovermieter, Marx für Kapitalanlagen. Selbst die Deutsche Bank geht mit dem Slogan „revolution“ auf Kundenfang. Eine Ausstellung zum Verschwinden linker Symbolik im Radical Chic

aus Fürth MAIKE DIMAR

„Die Revolution ist großartig. Alles andere ist Quark“, meinte einst Rosa Luxemburg. „Jede Revolution beginnt mit einem Auflauf“, hielten 1995 die Kartoffelstampfer von Pfanni dagegen. –Revolutionen, ihre Symbole und Parolen stehen in der Werbebranche hoch im Kurs. Kaum etwas, wofür Che Guevara nicht wirbt: Bikinis, Notebooks, Taschentücher. Rote Fahnen flattern für Internetprovider, und selbst Bankhäuser und Computerfirmen haben schon längst einen gewissen Karl Marx für sich entdeckt.

Anfangs war der Ludwigsburger Kulturwissenschaftler Rudi Maier noch zufällig über solche Anzeigen gestolpert, bald wurde zielgerichtete Sammelwut daraus. Ergebnis bis heute: über 1.000 Reklameschnipsel und die Wanderausstellung „So geht Revolution“, die zur Zeit im mittelbayerischen Fürth zu sehen ist.

Doch was haben RevolutionärInnen, die gegen Staat und herrschende Ordnung auf die Barrikaden gingen, in kapitalistischer Werbung zu suchen? – Ganz oben rangiert Che Guevara, in über 50 Anzeigen lässt er seinen berühmten Blick in die Ferne schweifen. Viele spielen mit der Assoziation von Freiheit und Revolutionsromantik: „Auch du kannst Großes bewegen“ – für seine günstigen Lkws bemühte Europcar im vergangenen Jahr mal wieder den Comandante . Etwas abgeschlagen dahinter: Karl Marx. Doch wirbt der Großkritiker des Kapitalismus nun plötzlich für ein Bankhaus?

Ganz so einfach ist es nicht sagt Mediologe Maier, Marx werde anders verwendet, „eher als Abgesang“, auf zynisch-ironische Weise: „Marx for Dollars“, hieß das dann etwa beim Bankhaus Solomon Brothers. Apple kam da deutlich wohlwollend daher: „Es wurde Zeit, dass mal ein Kapitalist die Welt verändert“, überschrieb das Unternehmen schon Ende der Achtzigerjahre eine Anzeige, die einen der legendären Computerwürfel neben die Bücher von Mao, Engels, Lenin, Marx und Trotzki stellte.

Linke Symbole und Ikonen werden vereinnahmt, umgedeutet oder lächerlich gemacht, „auffallen mit logischem Bruch“ nennt das Maier. So stellt auch die umstürzlerischer Umtriebe unverdächtige Deutsche Bank schon mal junge Leute mit „revolution“-T-Shirts in ihre Schalterhallen. Hintergedanke: an die Jugendbewegung andocken. Werbeziel: der Bausparvertrag. „Che auf jedem T-Shirt bedeutet, dass er seine Bedeutung verliert“, sagt Maier zum längst zur Popikone verwandelten Revolutionär.

Revolte komplett umzudeuten, das versuchte 1969 die IOS Ltd. aus Panama mit doppelseitigen Farbanzeigen ausgerechnet in der Schweiz: „Unruhen. Streiks. Revolutionen. Worum geht es dabei eigentlich?“, fragt sie unter der Großaufnahme eines Molotowcocktails. Und zieht die Antwort dreist aus der Tasche: „Eigentlich nur um eines: Alle wollen am Erfolg und Wohlstand teilnehmen.“ Die Alternative zur Revolution aus Sicht der Offshorebanker: die eigene Kapitalanlage.

Während solche Kampagnen zumindest teilweise die Stimmung der Zeit aufnahmen, findet sich heute ein roter Stern hier, ein „Revolution“-Schriftzug da. Aufruhr und Protest sind sinnentleert – Radical Chic“. Eine dänische Firma stellte einige Lebensstationen von Ulrike Meinhof nach, mit einem gutaussehenden Model, das in ausführlich angepriesenen Designerklamotten steckt. Ihr Tod fand freilich nur im Kleingedruckten als „Selbstmord“ Erwähnung. Doch ein Ausflug in die RAF-Geschichte zeigt auch, was Werbung nicht darf. „SSSS.... Suzuki. Die Sportskanone für Scharfschützen“ warb Suzuki 1977 für das Motorrad, von dem aus Generalbundesanwalt Buback im April desselben Jahres erschossen worden war. Ein „politisches Andocken mit Sympathie“, nennt es Maier, „diese Anzeige konnte nicht gegen die RAF gelesen werden“. Prompt gab es eine Rüge des Deutschen Werberates, Suzuki zog die Anzeige zurück.

Bis 6. 8. in der Kofferfabrik Fürth; die Ausstellung kann ausgeliehen werden. mediologie@demoz-lb.de