Ein Recht auf Freizügigkeit

Viele osteuropäische Sexarbeiterinnen sind nun Unionsbürgerinnen. Hat sich ihre rechtliche Situation verbessert?

In regelmäßigen Abständen versorgt uns die Tagespresse mit Berichten über Razzien in so genannten Modellwohnungen, also Apartments, in denen Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen. Die dazugehörigen Bilder der Frauen, die am Arm eines Polizisten aus dem Haus geführt werden, suggerieren uns, dass hier Frauen aus höchster Not befreit wurden – oder haben sie sich selbst strafbar gemacht?

Oftmals werden die Frauen zunächst als Zeuginnen im Rahmen von Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels gehört. Aber nicht selten richten sich die Ermittlungen dann schließlich auch gegen sie selbst. Zwar ist Prostitution an sich in Deutschland nicht strafbar – und das nicht erst seit dem Prostitutionsgesetz. Dennoch können sich Sexarbeiterinnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit strafbar machen oder Ordnungswidrigkeiten begehen, so z. B. durch Verstöße gegen die so genannten Sperrgebietsverordnungen. Besonders prekär ist die Situation allerdings für die große Zahl von Migrantinnen, die in der Prostitution tätig sind; arbeiten sie hier ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, so wird dies als Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt und führt außerdem in der Regel zur Ausweisung.

Durch die am 1. 5. 2004 erfolgte EU-Erweiterung sind viele osteuropäische Sexarbeiterinnen nun Unionsbürgerinnen geworden. Aber hat sich ihre rechtliche Situation dadurch verbessert? Seit dem 1. Mai genießen alle UnionsbürgerInnen das Recht auf Freizügigkeit in allen EU-Mitgliedsstaaten. Sie dürfen also visumsfrei einreisen und sich bis zu drei Monaten ohne weitere Genehmigungsverfahren in Deutschland aufhalten. Für längerfristige Aufenthalte ist die Freizügigkeit allerdings an die Voraussetzung gebunden, dass sie in der Lage sind, ohne Sozialhilfebezug für den eigenen Lebensunterhalt inklusive Krankenversicherungschutz aufzukommen.

Die nahe liegende Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit in einem Arbeitsverhältnis sicherzustellen, bleibt den neuen Unionsbürgerinnen aber vorerst vorenthalten. Denn die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit, also das Recht, sich in allen Mitgliedsstaaten zum Zweck der Arbeitssuche und Erwerbstätigkeit aufzuhalten und dort arbeitsgenehmigungsfrei zu arbeiten, kann den neuen UnionsbürgerInnen während einer Übergangsphase, die zunächst zwei Jahre dauert und dann noch zweimal bis auf maximal sieben Jahre verlängert werden kann, verwehrt werden. Von dieser Übergangsregelung hat Deutschland, ebenso wie die meisten anderen alten EU-Staaten, nun zunächst für zwei Jahre Gebrauch gemacht.

Dennoch gibt es eine Möglichkeit, wie Sexarbeiterinnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten hier ab sofort legal arbeiten können. Üben sie ihre Tätigkeit nachweislich nicht in einem Arbeitsverhältnis, also mit einem Zuhälter, sondern als Selbständige aus, so können sie sich aufgrund des Gemeinschaftsrechts auf das Recht der Niederlassungsfreiheit berufen – und hätten dann Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis-EG.

Eine wirkliche Neuerung gegenüber der früheren Rechtslage stellt dies für die Frauen aus den neuen Mitgliedsländern allerdings nicht dar. Denn schon vor dem 1. 5. 2004 existierten Abkommen mit den Beitrittsstaaten, in denen den Staatsangehörigen der Beitrittsländer die Niederlassungsfreiheit gewährt wurde. Offen bleibt, warum auch in der Vergangenheit nur wenige Frauen aus den Beitrittsländern diese Möglichkeit in Anspruch genommen haben. Denkbar wäre, dass die organisatorischen Hürden für eine Selbständigkeit zu hoch sind – oder interessierten Frauen schlicht der Zugang zu den erforderlichen Informationen fehlt. Daniela Hödl

Die Autorin ist Rechtsanwältin in Hamburg und Mitarbeiterin bei femmigration. Dieses Projekt des Trägers Amnesty for Women will Migrantinnen, die in der Prostitution arbeiten, Informationen über die Rechtslage in den EU-Ländern zur Verfügung stellen, um so eine eigenverantwortliche Migrationsentscheidung zu ermöglichen und Abhängigkeitsverhältnissen und Frauenhandel vorzubeugen. Näheres bei: www.femmigration.net