Homo, hetero, bi – oder: normal

Mit einer Plakataktion wirbt Bremen in Schulen und Jugendeinrichtungen hoch offiziell für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen – Resonanz: unbekannt. Dabei ist das Thema gerade im Jugendbereich äußerst akut

Zwei auf diesem Bild sind anders – sie sind heterosexuell. Fragt sich nur: wer?

Mit Plakaten und Postkarten, darauf drei Frauen und drei Männer, die weder schwul noch lesbisch noch hetero noch bi aussehen, machen die Landesinitiative Lesben- und Schwulenpolitik, Sozial- und Jugendsenatorin Karin Röpke (SPD) sowie Bildungssenator Willi Lemke (SPD) jetzt gemeinsam Reklame für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Und das genau dort, wo Anderssein oft das Schlimmste ist, das einem passieren kann: in Schulen und Jugendeinrichtungen.

„Statistiken gehen davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell orientiert sind“, erklärt Sabine Michaelis vom Jugend- und Sozialressort, „in einer Klasse mit 20 Schülern darf man also davon ausgehen, dass ein bis zwei Menschen homosexuell sind.“ Den Lehrern falle das meist nicht auf, überhaupt seien Schulen im Umgang mit dem Thema Homosexualität oft „ausgesprochen schwerfällig.“ Unter dem Mantel einer liberalen Einstellung werde das Thema totgeschwiegen, „und das ist schrecklich, weil die Jugendlichen, die es angeht, darunter sehr leiden.“

Auch Annette Mattfeldt, Sprecherin der Landesinitiative und Mitarbeiterin im Bremer Rat und Tat Zentrum für Schwule und Lesben, bestätigt den Nachholbedarf an Schulen. Sie wünscht sich, das die Auseinandersetzung mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen auch Thema der Lehrerausbildung wird – zwar ist das Thema Sexualität in den Lehrplänen fixiert und im Rahmen dessen ist die Beschäftigung mit Homosexualität möglich – aber nicht zwingend. Deshalb wird das Thema meist übergangen. Die Folge: Vorurteile bleiben bestehen.

„Wir erleben eine massive Ablehnung da, wo das eigene Umfeld Homosexualität ächtet“, erzählt Annette Mattfeldt, die Schulklassen betreut, wenn sie das Rat und Tat Zentrum besuchen. „Mädchen sind für das Thema zugänglicher, aber die Jungs haben‘s schwer.“ Gerade Schwulsein werde abgewehrt. „Sie glauben, dass das sichtbarer ist“, erzählt Mattfeldt von ihrer Arbeit mit Jugendlichen, „Mädchen wird da mehr erlaubt.“

Die Plakate, deren Motiv von einer gleichgearteten Aktion in Brandenburg übernommen ist, seien an alle Schulen und Jugendeinrichtungen verschickt worden – Resonanz: unbekannt. Aber die Postkarten mit demselben Motiv waren „in rasender Schnelligkeit vergriffen.“ Mattfeldt schätzt an der Aktion vor allem die Kombination des Motivs mit dem Label des Landes Bremen und die offizielle Note, die die Botschaft damit bekommt.

Nun aber mal im Ernst: Wer ist denn nun „anders“ auf dem Bild, wer ist homo und wer hetero? Annette Mattfeldt lacht. „Das weiß ich auch nicht.“ Und: „Das ist ja das Schöne daran.“ sgi