Nur kein Leichtsinn

Gegen Lettland will Teamchef Rudi Völler offensiver zu Werke gehen. Das könnte Fredi Bobic in die Mannschaft spülen – und Frank Baumann hinaus

DO BERLIM FRANK KETTERER

Immer wieder fiel das Wort, seit Dienstag quasi allstündlich, und natürlich durfte es auch bei der gestrigen Pressestunde im Ria Park Garden, die allerdings kaum länger als zehn Minuten andauerte, nicht unausgesprochen bleiben. Oben, also auf dem Podest, saß Rudi Völler, wie immer bestfrisiert; unten die Reporter, aus deren Mitte einer das Wort prompt schmuck in eine Frage packte. „Herr Völler, wie macht man eigentlich eine TURNIERMANNSCHAFT?“

„Gute Frage“, fand der Teamchef, als ob er sie seit dem gar nicht so miesen 1:1 zum Auftakt gegen Holland nicht jeden Tag schon hätte beantworten müssen, wenn auch jedes Mal in anderer Verpackung. „Mir wäre es lieber, darüber wird in drei Wochen gesprochen, nicht schon nach dem ersten Spieltag. Immer wieder dieses Klischee – darauf können wir uns nicht verlassen“, hatte der Teamchef am Donnerstag gesagt. Nun, also am Freitag, sagte er: „Man muss von seinen Spielern überzeugt sein und ihnen das auch zeigen.“

So weit, so gut, zumal dann, wenn die Mannschaft ihrem Chef auch weiterhin schön brav zeigt, dass sie seine Überzeugung und das daraus resultierende Vertrauen rechtfertigt, wofür sich schon heute Abend die nächste Gelegenheit bietet. Dann nämlich geht es, erneut in Porto, aber bereits um 18 Uhr und somit in noch sengenderer Hitze, im zweiten Spiel der Gruppe D gegen Lettland. Und mithin gegen jenen Gegner, der vor dem Turnier von vielen als der einzige selbst für die DFB-Rumpler schlagbare Kontrahent gehalten wurde. Nun aber, da auch die Letten durch ihr Eröffnungsmatch eine Aufwertung erfahren haben, obwohl sie dieses mit 1:2 gegen Tschechien verloren, scheint für die Völler-Truppe vor allem eines angebracht: bloß auf dem Boden der Tatsachen bleiben. „Das ist eines der klassischen Gesetze: dass man nach einem sehr guten Spiel nicht leichtsinnig wird“, gab gestern deshalb auch Teamchef Völler zu Protokoll.

Oliver Kahn wird das bestimmt tun, schließlich kennt man ihn nicht anders. Und selbst der Umstand, dass der deutsche Torsteher lettische Vorfahren, nämlich einen Opa, im Stammbaum stehen hat, wie der Spiegel dankenswerterweise enthüllen konnte, wird nichts daran ändern, dass der „Viertel-Balte im Tor“ (SZ) wieder mit malmenden Kieferknochen in seinem deutschen Kasten stehen wird. Da aber selbst die beste Turniermannschaft Spiele nicht gewinnt, indem sie ausschließlich Tore verhindert, sollen sich am anderen Ende des Rasens durchaus ein paar Dinge ändern. „Wir wollen einfach offensiver spielen und mehr Druck erzeugen“, gab Völler auch gestern einen Hinweis auf den Einsatz eines zweiten Stürmers neben Kevin Kuranyi, wer das sein wird, wollte Völler allerdings noch nicht verraten. „Alle vier sind in einer sehr guten Verfassung“, so der Teamchef, was einigermaßen beruhigend ist, schließlich hatte Völler am Vortag ganz offensichtlich noch den Berliner Chancentod Fredi Bobic favorisiert.

Fest steht: Wenn einer reinkommt, muss ein anderer raus; und obwohl Rudi Völler auch hierzu die Auskunft verweigerte, scheinen sich die Damen und Herren von der Fachpresse bereits auf Frank Baumann geeinigt zu haben. Möglich scheint allerdings auch, dass Baumann für den am zweimal operierten Knie angeschlagenen Jens Nowotny in die Viererkette rückt. Wie auch immer, Völler scheint gewappnet. „Es muss hin und wieder eine Veränderung geben, weil es der Gegner nicht erlaubt, mit der gleichen Aufstellung und Taktik zu spielen“, sagte er. Und weil unter anderem genau das eine Turniermannschaft auszeichnet.