Tschad im sudanesischen Kreuzfeuer

Nach erneutem Einmarsch regierungstreuer Milizen aus Sudan wächst im Tschad die Sorge um Ausweitung des Darfur-Kriegs. Die UNO, Frankreich und die USA kommen Tschads Präsidenten Idriss Déby zu Hilfe, den Oppositionelle massiv kritisieren

VON DOMINIC JOHNSON

Es war der bisher schwerste in einer Serie grenzüberschreitender Angriffe. 69 Tote meldete gestern Tschads Regierung nach einem Angriff sudanesischer Milizen aus Darfur auf den Ort Birak im Osten Tschads, sechs Kilometer von der Grenze entfernt. Erst am Mittwoch hatte Allami Ahmat, Berater des tschadischen Staatschefs Idriss Déby, seine „Sorge“ über eine mögliche Ausweitung des Kriegs in Darfur auf den Tschad geäußert. „Es gibt finstere Mächte, die den innersudanesischen Konflikt in den Tschad exportieren wollen“, hatte er gesagt. „Arabischstämmige Tschader werden in dieses Abenteuer hineingezogen.“

Kein Land außerhalb des Sudan ist vom brutalen Krieg in Darfur mehr betroffen als der bitterarme westliche Nachbar Tschad. Nicht nur haben über 200.000 Flüchtlinge aus Darfur Zuflucht auf tschadischem Gebiet gesucht. Tschads Präsident Idriss Déby kommt darüber hinaus aus dem Volk der Zaghawa, dessen Kämpfer auch das Rückgrat der Darfur-Rebellen stellen.

1990 half Sudan noch dem damaligen Rebellenführer Déby, aus Darfur heraus Tschad zu erobern. Heute helfen einige von Débys Zaghawa-Milizen der Rebellion in Darfur. Kein Wunder, dass Tschads Regierung nun Rache fürchtet. Bereits Anfang Mai kam es zu einem Vorstoß sudanesischer Milizen 25 Kilometer nach Tschad hinein – die Kämpfe forderten rund 70 Tote. Am 16. Mai scheiterte in Tschads Hauptstadt Ndjamena ein Putschversuch, angeblich initiiert von Zaghawa-Militärs, aus deren Sicht Déby die Rebellen von Darfur nicht aktiv genug unterstützt.

Die instabile Lage besorgt insbesondere Frankreich und die USA. Frankreich hält ständig rund 1.000 Soldaten in seiner ehemaligen Kolonie Tschad stationiert. Die USA sind führend in der Ölförderung im Süden des Tschad – Haupteinnahmequelle der Regierung. Die Ölgelder haben die Lebensbedingungen der Bevölkerung nicht verbessert, aber Déby politisch gestärkt. Es gab keinen internationalen Protest, als der Präsident 2001 massiv die Wahlen fälschte. Ende Mai ließ Déby ebenso widerspruchslos die Verfassung ändern, um 2006 zu einer dritten Amtszeit antreten zu können.

„Die Regierung tut alles, um Opposition zu unterdrücken“, sagt die Menschenrechtsaktivistin Delphine Djaraibé, Vorsitzende des „Tschadischen Verbands zur Förderung und Verteidigung der Menschenrechte“ (ATDDH), der taz. Sie schlafe aus Sicherheitsgründen oft nicht zu Hause. Andere Oppositionelle berichten von massiven Übergriffen der Regierungsarmee gegen die Bevölkerung im Osten des Tschad.

Mit Tiefflügen über der Hauptstadt sowie über der Grenze zum Sudan versucht Frankreich, Präsenz an der Seite Débys zu zeigen. Der tschadische Präsident betätigt sich als Vermittler zwischen Sudans Regierung und Darfurs Rebellen, und sein Territorium ist jetzt Basis für eine allmählich wachsende internationale Hilfsaktion für Flüchtlinge aus Darfur. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat bisher 106.000 Darfur-Flüchtlinge aus dem unmittelbaren Grenzbereich in acht UN-Lager tiefer im Land gebracht. Französische Militärs sichern das UNHCR-Hauptquartier im osttschadischen Abéché. Ihre Logistik ist auch wichtig für Hilfstransporte in Regionen, wo es keine Straßen gibt, aber viele Flüchtlinge. Auch die USA erwägen gerade die Entsendung von Soldaten nach Tschad, um eine zivil-militärische Hilfsaktion starten zu können.

Das hilft der Regierung Déby ganz nebenbei, ihre Kontrolle zu festigen. „Die Hilfswerke kommen alle zu uns, aber haben nur Augen für Sudan“, kritisiert Djaraibé. Internationale Hilfswerke sehen auch die UN-Arbeit kritisch. „Das UNHCR hat die Dringlichkeit der Lage unterschätzt“, sagt Klaus Mock vom deutschen Hilfswerk Help. Obwohl Kapazitäten in den Lagern fehlten, habe das UNHCR wochenlang abgelehnt, dass andere Hilfswerke mit ihren eigenen Ressourcen dort arbeiten.