Die dunkle Vergangenheit des „Comical-Ali“

Der frühere irakische Informationsminister al-Sahhaf hat in Schweden eine Anzeige am Hals. Während seiner Zeit als Botschafter in Stockholm soll er die grausame Ermordung zweier abtrünniger irakischer Agenten angeordnet haben

STOCKHOLM taz ■ Mit markigen Sprüchen jenseits aller Realität leugnete Mohammed Said Kadhum al-Sahhaf vor Fernsehkameras den militärischen Vormarsch der Irakkriegs-Koalition und brachte es als „Comical-Ali“ oder „Bagdad-Bob“ zu einer großen internationalen Fangemeinde. Doch er hat eine Vergangenheit vor seiner Zeit als Saddam Husseins Informationsminister. Die holt ihn jetzt möglicherweise ein.

Mitte der Achtzigerjahre war er Botschafter seines Landes in Stockholm. Dabei soll er sich nach Überzeugung von Exil-KurdInnen die Hände blutig gemacht haben: als Hintermann zweier Morde an abgesprungenen Geheimdienstinformanten des irakischen Regimes.

In dieser Woche stellte Kurdo Baksi, Journalist und Schriftsteller kurdischer Herkunft, bei der Polizei in Stockholm Strafanzeige gegen al-Sahhaf. „Er ist ein Mörder“, ist Baksi überzeugt: „Das Bild von ihm als harmlos-komischer Witzfigur ist völlig falsch.“ Seine wahre Identität müsse jetzt endlich ans Licht kommen.

Die beiden Morde, die der damalige Botschafter laut Baksi vom Schreibtisch her in Auftrag gegeben haben soll, hatten wegen ihrer Grausamkeit 1985 für Schlagzeilen in Schweden gesorgt. Sie waren offenbar dazu inszeniert worden, mögliche andere Dissidenten abzuschrecken, ebenfalls die Seiten zu wechseln.

Im Januar 1985 verschwand der 33-jährige Kurde Majid Hussain, nachdem er einige Wochen vorher in der Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet über seinen Hintergrund als abgesprungener Geheimdienstagent Saddams berichtet hatte. Einige Monate später wurde seine grausam verstümmelte und in 54 Teile zerlegte Leiche gefunden. Zuletzt lebend hatte man ihn gesehen, als er am 9. Januar 1985 zusammen mit einem Iraker mit Anknüpfung an die Stockholmer Irak-Botschaft seine Wohnung verließ.

Die ebenfalls mit vielen Messerstichen verstümmelte Leiche des erdrosselten 27-jährigen Kurden Azad Jundi wurde im Juni des gleichen Jahres gefunden. Auch er hatte nach Erkenntnissen des schwedischen Verfassungsschutzes Säpo offenbar versucht, aus einem Agentenverhältnis zu Iraks Geheimdienst auszusteigen.

Schwedens Polizei und Säpo hatten eine Reihe von deutlichen Hinweisen auf die mutmaßlichen Täter und deren Verbindungen zur Botschaft in Stockholm. Doch bevor die Ermittlungen zum Abschluss kamen, hatten die Verdächtigen das Land bereits verlassen. Den schon damals ins Visier der Fahndung gekommenen Botschafter al-Sahhaf selbst schützte seine diplomatische Immunität.

Baksi glaubt Hinweise darauf zu haben, dass al-Sahhaf mehr als nur ein williges Werkzeug des irakischen Geheimdienstes war und aus eigenem Antrieb besonders aktiv gegen Dissidenten vorging: Nachdem al-Sahhaf seinen schwedischen Botschafterposten im August 1987 verlassen hatte, hätten nämlich Bedrohungen, Verfolgungen und Bespitzelungen von Exil-IrakerInnen und -kurdInnen schlagartig aufgehört.

Kurdo Baksi hofft jetzt, dass es noch genügend Material in den alten Ermittlungsakten gibt, welche al-Sahhaf mit den beiden Morden in Verbindung bringen können: „Ich will, dass man ihn festnimmt und deswegen verhört. Er sollte nach Schweden ausgeliefert und hier vor ein Gericht gestellt werden.“

REINHARD WOLFF