US-Anklage gegen US-Folterexperten

Der Verhörspezialist hatte einen Afghanen zu Tode gefoltert. Jetzt drohen ihm selbsst 40 Jahre Haft. US-Organisation „Human Rights First“ kritisiert weltweites Netzwerk geheimer US-Haftanstalten außerhalb jeglicher externer Kontrolle

WASHINGTON taz ■ Angesichts fast täglich neuer Enthüllungen in der Folteraffäre bemüht sich die US-Regierung zu demonstrieren, dass ihr Strafverfolgungssystem funktioniert. Erstmals klagte das US-Justizministerium am Donnerstag einen vom Geheimdienst CIA beauftragten zivilen Verhörspezialisten wegen schwerer Körperverletzung an. Dem 38-Jährigen wird vorgeworfen, im Juni 2003 einen Gefangenen in Afghanistan während eines zweitägigen Verhörs so stark getreten und geschlagen zu haben, dass er anschließend starb.

Justizminister John Ashcroft sagte, die USA würden keine brutalen kriminellen Handlungen dulden und die Verantwortlichen würden bestraft. Bei einer Verurteilung drohen dem Mann bis zu 40 Jahren Gefängnis. Bislang waren im Zusammenhang mit den Misshandlungsvorwürfen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib sechs US-Militärpolizisten angeklagt worden.

Abgesehen von diesem Befreiungsschlag der US-Regierung zieht die rechtswidrige Behandlung von Gefangenen in US-Gewahrsam durch CIA und Pentagon immer weitere Kreise. So musste Pentagonchef Donald Rumsfeld einräumen, auf Bitten des CIA die heimliche Gefangenschaft eines mutmaßlichen irakischen Terroristen angeordnet zu haben. Der Verdächtige, angeblich ein kurdischer Rebellenführer, wurde mehr als sieben Monate lang festgehalten, ohne dass das Rote Kreuz offiziell informiert wurde.

Die Gründe dafür wollte Rumsfeld nicht nennen. Ein Berater des Pentagon verteidigte die Entscheidung. Gefangene könnten eine Zeit lang ohne Registrierung festgehalten werden, „wenn eine zwingende militärische Notwendigkeit dazu besteht“, sagte er. Die Genfer Konvention schreibt jedoch eine Registrierung von Kriegsgefangenen vor. Auch der Pentagon-interne Untersuchungsbericht von Generalmajor Antonio Taguba über irakischen Gefängnisse war im März zum Schluss gekommen, dass die Praxis, Verdächtige als „Geistergefangene“ zu halten, gegen das Völkerrecht und die Vorschriften der US-Armee verstoße.

Dass Geheimhaltung eine gängige Methode im Antiterrorkampf der Bush-Regierung ist, werfen ihr Menschenrechtler seit langem vor. Nun untermauerte die Organisation „Human Rights First“ diesen Vorwurf erneut. Sie kritisierte Washington, ein weltweites Netzwerk geheimer Gefängnisse zu unterhalten, die sich jeglicher externer Kontrolle entzögen. Von den rund zwei Dutzend Internierungslagern operierten mindestens die Hälfte in vollständiger Geheimhaltung. Die Haftanstalten lägen außerhalb der Reichweite von „angemessener Überwachung, Rechenschaft oder Gesetz“, kritisierte eine Sprecherin der Organisation, die früher unter dem Namen „Lawyers’ Committee for Human Rights“ antrat. „Unangemessene Haftbedingungen und Misshandlungen seien daher nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich“, erklärt „Human Rights First“ weiter.

Ihr Bericht nennt 17 US-Gefängnisse, deren Existenz die US-Regierung öffentlich bekannt gab. Darüber hinaus gebe es 13 Haftanstalten, deren Existenz von der US-Regierung nicht bestätigt wurde, über die es jedoch Berichte aus zahlreichen anderen Quellen gebe. Diese befänden sich mit Ausnahme zweier US-Kriegsschiffe außerhalb der USA und damit der Zuständigkeit der US-Justiz in Afghanistan, Pakistan und Jordanien.

MICHAEL STRECK