Der Tod kam „entsetzlich überraschend“

Letztes Plädoyer des Angeklagten im Prozess um den Tod des 11-jährigen Jakob von Metzler: Magnus G. hofft, dass sein Geständnis das Urteil mildern wird. Verteidiger setzen auf „lebenslänglich“ ohne „besondere Schwere der Schuld“

FRANKFURT taz ■ Das letzte Wort des Angeklagten ist gesprochen worden. Magnus G., 28, nahm gestern Nachmittag vor dem Frankfurter Landgericht noch eimal Stellung. Er wandte sich in erster Linie an Gericht und Öffentlichkeit und nicht an die Eltern des 11-jährigen Jakob von Metzler.

Deren Sohn hatte er am 27. September in seine Wohnung im Stadtteil Sachsenhausen gelockt, gefesselt, geschlagen, gewürgt und mit Klebestreifen auf Mund und Nase erstickt. Von den Eltern hatte er nach der Tat eine Million Euro Lösegeld erpresst.

Magnus G. verlas seine zwanzigminütige Stellungnahme mit gequälter, brüchiger Stimme: „Ich bereue unendlich, und ich schäme mich abgrundtief.“ Der kleine Jakob, sagte G., „ist jede Sekunde in meinem Kopf und in meinem Herzen“. Er meine es ernst, wenn er sage, dass er selbst sein Leben geben würde, wenn er die Tat ungeschehen machen könnte.

Der ehemalige Jurastudent bat das Gericht in langen Passagen um Verständnis für seine Person. In den letzten Monaten sei er als „Bestie, Killer, Monster“ bezeichnet worden, aber auch er habe Gefühle. Er hoffe darauf, dass sein „umfassendes und ehrliches Geständnis“ bei der Urteilsfindung berücksichtigt werde.

In der vergangenen Woche hatten seine Verteidiger gar nicht erst versucht, den Vorwurf des Menschenraubes, der räuberischen Erpressung und des Mordes zu entkräften. Der Tod des Kindes, sagte auch Rechtsanwalt Hans Ulrich Endres, müsse gesühnt werden. Er aber wehre sich gegen die holzschnitthafte Stilisierung seines Mandanten als „mit kaltem Blut“ mordendes „Monster“.

Endres bat das Gericht lediglich, das Urteil, das „lebenslänglich“ lauten müsse, ohne die zusätzliche Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“ zu treffen. Dieser Zusatz würde für G. bedeuten, dass er erheblich länger als 15 Jahre im Gefängnis sitzen müsste. Zu diesem Termin könnte sonst zum ersten Mal geprüft werden, ob er vorzeitig aus der Haft entlassen werden kann.

Der Vertreter der Eltern als Nebenkläger, Rechtsanwalt Eberhard Kempf, hatte genau diesen Passus gefordert. G. habe kein einziges der drei schwerwiegenden Mordmerkmale ausgelassen. Er habe aus Habgier und dem bis zu den letzten Minuten arg- und wehrlosen Kind gegenüber heimtückisch gehandelt. Mit dem Mord habe er die Straftat der Erpressung verdecken wollen, weil er sich sicher sein konnte, dass Jakob von Metzler ihn kenne und deshalb verraten werde. Sein Geständnis sei nur halbherzig gewesen, seine Worte der Reue unglaubwürdig. Er habe es bis heute nicht geschafft, sich wirklich mit seiner Tat auseinander zu setzen.

Ko-Verteidiger Stefan Bonn versuchte sich dagegen im juristisch Feingestrickten. Er ließ lediglich das Merkmal Heimtücke gelten. Habgier entfalle, weil diese schon in der Erpressung, sozusagen naturwüchsig, angelegt sei, nicht aber zweimal bestraft werden könne. Auch von einem Verdeckungsmord könne keine Rede sein, da die Tötung zeitlich so eng im Zusammenhang mit der Entführung gestanden habe, dass zwischen beiden Straftaten nicht differenziert werden könne.

Verteidiger Endres nutzte für seine Argumentation noch einmal den Justizskandal um den stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner. Der hatte G. nach dessen Festnahme, während die Polizei noch fieberhaft nach dem Kind suchte, mit körperlicher und psychischer Gewalt gedroht. Das so erpresste erste Geständnis konnte, weil unrechtmäßig erlangt, im Verfahren nicht verwertet werden.

G. gestand im Gerichtssaal noch einmal, behauptete aber, er habe das Kind nicht umbringen wollen. Wenn er nun als ganz besonders bösartiger Täter verurteilt werde, so Endres, könne dies im Nachhinein die verbotenen Verhörmethoden der Polizei verharmlosen und als falsches Signal verstanden werden: „Sie führen einen hochpolitischen Prozess.“

G. nahm gestern selbst wiederum zu seinen Motiven Stellung. Er habe die Ermordung des Jungen nicht geplant, sondern diesen Teil seiner Tat ausgeblendet. Der Tod des Kindes sei auch für ihn „entsetzlich überraschend“ gekommen. Er erinnere sich nur „an eine panische Abfolge von Kleben, Schlagen und Würgen“.

Warum er dies getan habe, obwohl er auch von sich selbst bis dahin „das Bild des netten jungen Mannes“ hatte, könne er sich bis heute nicht erklären: „Das ist auch für mich nach wie vor ein Rätsel.“ Er bedaure es, dass er den Angehörigen keine bessere Erklärung geben könne.

Das Urteil soll am 28. Juli gesprochen werden. HEIDE PLATEN