„Auf die Geste kommt es an“

US-Deutschlandspezialist Jackson Janes über das deutsch-amerikanische Verhältnis: „Deutschland war Objekt. Nun ist es Subjekt“

taz: Mr. Janes, beim Besuch des Bundesaußenministers wurden Schmeicheleien und warme Worte ausgetauscht. Herrscht wieder eitel Sonnenschein zwischen den USA und Deutschland?

Jackson Janes: Nein. Ziel war, den Irak irgendwie in die Schublade zu stecken und zu sagen, die Geschichte ist vorbei, wir müssen nach vorne blicken. Wir haben ein gemeinsames Interesse an einer Stabilisierung des Irak, unabhängig von der Vorgeschichte.

Von Normalität kann also noch nicht die Rede sein?

Noch nicht. Ich glaube, dass die Situation unberechenbar ist. Für alle Beteiligten. Das Problem ist sowohl die außenpolitische Verwirrung – wie geht es jetzt weiter? – als auch die innenpolitische Unberechenbarkeit: Was kann man eigentlich den Gesellschaften in den USA und in Deutschland zumuten? In Amerika ist es die Frage: Verkraftet das Volk eine Wahrheit, die fünf oder zehn Jahre Besatzungzeit im Irak und zwanzig oder dreißig tote Soldaten monatlich heißt? Und wozu ist die deutsche Öffentlichkeit bereit? Umfragen sagen, das 81 Prozent der Bevölkerung gegen deutsche Truppen im Irak sind.

Aber kann Deutschland eigentlich kneifen, wenn es zu einem neuen UNO-Mandat kommt, nachdem es dies stets gefordert hat?

Nein. Das hat Fischer auch gesagt. Er steht natürlich innenpolitisch unter Druck und kann keine konkreten Versprechen machen. Aber ich erkenne die Neigung, dass die Bundesregierung helfen wird beim Aufbau der Infrastruktur oder mit Polizeieinheiten, sollte es einen irgendwie gearteten UN-Stempel geben. Auf die Geste kommt es an. Die Amerikaner wissen sehr wohl um die begrenzten deutschen Fähigkeiten. Dass Berlin Truppen schicken wird, bezweifle ich daher sehr.

Kann das deutsch-amerikanische Verhältnis wieder normal werden, solange es bei beiden Regierungschefs – Bush und Schröder – keine Herzenssache ist?

Vielleicht ist das nicht entscheidend. Kohl und Clinton verstanden sich gut, Reagan und Kohls Verhältnis war okay, Bush und Kohl waren ein Herz und eine Seele – natürlich wegen der Wiedervereinigung. Aber davor hatten wir Brandt und Nixon, Adenauer und Kennedy. Das war bei weitem keine Herzensangelegenheit. Der Unterschied: Die Rahmenbedingungen hatten die Zusammenarbeit einfach erzwungen, und man wusste letztlich immer, dass man in einem Boot sitzt. Diese Situation ist vorbei. Schröder ist ein Barometer für die Veränderung in Deutschland mit der Haltung „Wir können auch anders“. Und der Mann im Weißen Haus ist keineswegs verpflichtet, wie sein Vater an die Vergangenheit zu denken. Insofern haben wir es mit einer neuen Normalität zu tun.

Fischer spricht seit einiger Zeit immer von der „strategisch-transatlantischen Debatte“. Welche neue Qualität verbirgt sich dahinter im Vergleich zum herkömmlichen Dialog?

Der Dialog war einseitig, da die Abhängigkeit Deutschlands im Kalten Krieg nicht diskutabel war. Zwölf Jahre später ist diese strategische Debatte notwendig. Wir müssen uns insgesamt überlegen, wo wir unsere Kräfte bündeln, um weltweite Gefahren zu bannen. Es ist das alte „Burden Sharing“, nun gepaart mit „Power Sharing“. Die Mischung zwischen beidem ist längst nicht ausgehandelt und wurde seit dem 11. September noch komplizierter.

Muss man nicht nach europäischer und deutscher Einigung, nach dem 11. September und dem Irakkrieg das transatlantische Verhältnis ohnehin neu definieren?

Wir müssen zurück zu bestimmten Grundsätzen. Wir sollten nicht übertreiben mit dem ständigen Verweis auf gemeinsame Werte, sondern die gegenseitigen Interessen respektieren. Einen Konflikt in der Welthandelsorganisation etwa nimmt man in Kauf. Aber bei einem Konflikt auf sicherheitspolitischer Ebene heißt es, die Beziehungen sind im Eimer. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Dinge gleichzeitig passieren, dass Otto Schily und John Ashcroft – welch Wunder – miteinander klarkommen und dennoch einen enormen Krach über Genfood haben. Wir Amerikaner müssen uns vor allem damit abfinden, dass Deutschland sich verändert hat. Bis 1989 war klar, Deutschland ist Objekt. Nun ist es Subjekt. Beide Seiten haben sich an diese Tatsache noch nicht gewöhnt. Die USA müssen Deutschland wie die Franzosen und Engländer wahrnehmen. INTERVIEW: MICHAEL STRECK