Die Freunde und die Partner

Mit Blair und Fischer kamen Kriegsfreund und Kriegsgegner nach Washington. Zwischen den Freunden knistert es, der kritische Partner findet Offenheit

aus Washington MICHAEL STRECK

Joschka Fischer ging. Tony Blair kam. Zwei Europäer zu Besuch in der Hauptstadt der Supermacht. Ein Kriegsgegner, ein Krieger, zwei unterschiedliche Missionen. Der Bundesaußenminister will die Vergangenheit begraben und nach vorne schauen. Die Antikriegspolitik seiner Regierung fand breite Zustimmung zu Hause und machte diese unbeliebt in Washington. Der britischen Premier wird die Vergangenheit nicht los und stellt sich ihr. Im eigenen Volk wird er heftig attackiert, in den USA ist er nach Umfragen sogar beliebter als ihr George W. Bush.

Fischer kam selbstbewusst, als jemand, der sich in seinen Warnungen bezüglich des Irakkrieges bestätigt sieht. Blair dagegen befindet sich seit Wochen zu Hause in der Defensive, überwirft sich mit einer bohrenden Presse, wird als Kriegslügner bezeichnet und zum Rücktritt aufgefordert. Doch in Washington war sein Heimspiel.

Blair war gekommen, um vom US-Kongress eine goldene Ehrenmedaille entgegenzunehmen und sich als standfester Alliierter feiern zu lassen. Er wurde von einem vollen Haus überschwänglich empfangen und während seiner Rede immer wieder von Applaus unterbrochen, was vielleicht auch daran liegt, dass der eigene Präsident zu mitreißender und humorvoller Rede nicht fähig ist. Er hielt eine leidenschaftliche Kriegsverteidigungsrede, scheute sich jedoch nicht, Differenzen mit den Amerikanern beim Namen zu nennen.

Der Krieg gegen Saddam Hussein sei richtig gewesen, betonte er, selbst wenn er sich hinsichtlich der Massenvernichtungswaffen im Irak geirrt haben sollte. Die Geschichte werde den Krieg verzeihen, ist Blair überzeugt. Er versprach, die Allierten würden so lange im Irak bleiben, bis das Land stabilisiert und demokratisiert sei. „Wir werden dieses Versprechen halten.“ Er glaubt zudem, dass jetzte eine neue Ära der Demokratie im Nahen Osten anbreche.

Blair gab sich als fester Freund Amerikas und zugleich als passionierter Europäer. „Gebt Europa nicht auf. Arbeitet mit ihm!“, appellierte er an die US-Regierung, deren Verhältnis zu einigen europäischen Staaten sehr abgekühlt ist. Die Europäer mahnte er, den Antiamerikanismus zu bekämpfen. Die USA forderte er auf, Überzeugung zur Grundlage der Partnerschaft zu machen, kein Herumkommandieren. Anders als manche seiner Zuhörer, die die Vereinten Nationen eher als abschaffungswürdigen Debattierclub betrachten, mahnte er eine Stärkung der Weltorganisation an. Um die Verbreitung von ABC-Waffen zu verhindern, müsse die UNO eine zentrale Rolle spielen. Doch sie müsse handlungsfähiger und der Sicherheitsrat reformiert werden. Er verlangte, dass für UNO-Mitgliedsstaaten, die sich massiver Menschenrechtsvergehen schuldig machten, nicht die gleichen Privilegien gelten dürften wie für andere Staaten.

Doch kaum war die Blair-Jubelparty im Kongress vorbei, holte ihn bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bush die nüchterne Realität wieder ein und förderte die seit Wochen aufgestauten Spannungen zwischen beiden Staaten zutage. Bush wirkte griesgrämig und war um Antworten verlegen. Reporter stellten quälende Fragen zur Informationspolitik beider Regierungen vor dem Krieg und über gefälschte Geheimdienstpapiere. Hierbei wurde deutlich, wie es die Bush-Regierung mit der Loyalität zu Freunden hält. In der Affäre um den behaupteten Uranhandel zwischen Irak und Afrika hatten die USA zugegeben, dass die Vorwürfe auf falschen Geheimdienstunterlagen beruhen, schoben aber letztlich den Briten den schwarzen Peter zu und machten deren Geheimdienste verantwortlich. Blair dagegen hält die Informationen über angebliche irakische Ankaufversuche nach wie vor für „authentisch“.

Auch bei der Behandlung der Häftlinge in Guantánamo herrscht Uneinigkeit. Von den sechs Terrorverdächtigen, denen die US-Regierung auf ihrem Militärstützpunkt auf Kuba den Prozess machen will, sind zwei britische Staatsbürger. London hatte scharf gegen die geplanten Militärtribunale protestiert. Der Economist nannte sie „falsch und unamerikanisch“. Geteilter Ansicht ist man auch beim Umweltschutz. Die Briten, Vorreiter im internationalen Klimaschutz, sind über die ignorante Haltung der Bush-Regierung verärgert. Blair forderte die USA auf, ihre Position zu überdenken. „Wir müssen der Welt zeigen, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen.“ Für Umweltschutz und Antiterrorkampf gelte, dass die Sicherheit der Welt nur gemeinsam geschützt werden könne. „Deshalb muss Amerika zuhören wie auch führen.“

Das die USA wieder zuhören können, glaubt Fischer, der einen Klimawechsel in der US-Hauptstadt wahrgenommen haben will. „Es existiert mehr Offenheit, das nehme ich mit nach Hause.“ Seine Gespräche seien „sehr erfolgreich“ gewesen, bilanzierte er zum Abschluss seines Besuchs am Donnerstag, der für ihn einer der „interessantesten und spannendsten“ gewesen sei, den er je in Washington erlebt habe. Das deutsch-amerikanische Verhältnis stehe auf einer „starken und sehr guten Grundlage“.

Drei zentrale Anliegen verfolgte Fischer während seiner Visite: sich für eine stärkere UNO-Rolle im Irak aussprechen, Kooperation bei der Befriedung des Nachkriegsirak anbieten und dabei deutlich machen, dass die eigenen Fähigkeiten auf militärischer Ebene begrenzt sind, da Deutschland schließlich seinen Beitrag in Afghanistan und auf dem Balkan leiste. Fischer nutze den Besuch zum Brückenbauen, da sich in den USA allmählich die Einsicht durchsetzt, dass die Transformation des Irak, erst recht der ganzen Nahostregion, allein nicht zu schaffen ist. Seine Botschaft: Anders als zum Krieg gibt es zum Frieden im Irak keine Alternative, will man nicht fatale Konsequenzen in Kauf nehmen. Zumindest was das Ziel angeht, gibt es einen gemeinsamen Nenner.