Die Meinung ist bunt

Nach den Ausschlüssen von Fanclubs in München haben Fans neben allen Rivalitäten ein Anliegen: Im Dialog mit dem Club Kollektivverurteilungen zu vermeiden und Meinungen zu äußern

Das heißt, dass der Fanclub auch Selbstbereinigungsprozesse einleiten muss

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Die Empörung muss man nicht lange suchen. In allen Fanforen der norddeutschen Klubs wird nach den Ausschlüssen von Fangruppierungen beim Branchenführer FC Bayern München heftig diskutiert. Allseits gerne zitiert nimmt die Sportbild inzwischen seitenlange Beiträge im Internet ein. Schlagzeilen wie „Fans bedrohen Bayern-Bosse“ oder „Die ganze Wahrheit: Terror aus den Fanblocks“ beschleunigten wütende Proteste gegen die versuchte Diffamierungskampgane nur.

Im verzerrten Blickwinkel der Öffentlichkeit wird die gerade bei jüngeren Fans beliebte Gruppierung der so genannten Ultras als gefährlich, maßlos und gar rechtsradikal dargestellt. Argumente, die als Vorwurf gestreut medial gerne ausgeweidet werden. Inzwischen rückt gar Bayern-Manager Uli Hoeneß wenigstens teilweise von seinen voreilig geäußerten Kollektivverurteilungen gegen die drei Fanklubs ab. „Wir müssen wieder Luft rausnehmen aus dem Ballon, sonst kriegen wir das nicht mehr gesteuert. Ich glaube, dass viele unschuldig sind“, sagt Hoeneß, der eine Woche zuvor noch mit Morddrohung, Rechtsradikalismus und Vandalismus versuchte, Stimmung gegen die bayrische Fankultur zu machen.

Auch Dirk Mansen, Fanbeauftragter des HSV und Ligasprecher der Fanbeauftragten, appelliert an genaueres Augenmaß bei den Offiziellen, die häufig die Veränderungen und die Geflechte in den Fankurven nicht zu überblicken in der Lage sind. „Man sollte bei Problemen zwischen Klub und Fans versuchen eine Lösung zu finden, die für beide Seiten gangbar ist – bis zu einem gewissen Punkt“, meint Mansen.

In seinem Verein muss Mansen trotz der finanzverschwenderischen Politik des ehemaligen Vorstandes kaum auf offene Kritik von Seiten der Fans gegenüber dem Vorstand reagieren und vermitteln. Stattdessen organisieren die HSV-Supporters, die mit 13.000 Mitgliedern die größte Fanorganisation des HSV sind, freudetaumelnde Choreografien nach dem Erreichen des UEFA-Pokals. Insgesamt betrachtet Mansen die ehrenamtliche Arbeit vieler Fans in ihren Vereinen positiv. „Die meisten Delikte sind doch übertriebener Alkoholkonsum, Schwarzfahrerei und kleine Schlägereien“, relativiert er übertrieben dargestellte Gefahrenpotenziale. Und wenn was passiert, so Mansen, „dann muss ich aber auch von den Fans konsequentes Handeln erwarten dürfen. Das heißt, dass der Fanklub auch Selbstbereinigungsprozesse einleiten muss.“

Der Bremer Fanbeauftragte Dieter Zeiffer behauptet, dass es „nicht immer leicht ist den Ansprüchen der Ultras gerecht zu werden“. Ultras brauchen für ihre aufwendigen Schmückungsaktionen im Stadion gewisse Rechte im Stadion, um sich selbst zu inszenieren. Den Vereinen ist das häufig recht, da sich mit den farbenfrohen Inszenierungen auch ein Image gestalten lässt. Allein die Kontrolle über dergleiche Aktionen möchten die Vereine gern bei sich wissen. Dass es hierbei zu Meinungsverschiedenheiten kommt ist augenscheinlich. „Man muss Mehrheiten und Meinungen im Verein gestalten. Nur so kann man im Dialog zwischen Verein und Fans Lösungen finden“, sagt Holger Scharf, der wegen vereinsschädigendem Verhalten vorübergehend von seiner Aufgabe als Vorstand der Abteilung Fördernder Mitglieder (mit 3.000 Mitgliedern von insgesamt 5.000 Mitgliedern) beim FC St. Pauli entbunden worden ist.

Einen solchen Dachverband will auch Sebastian Kramer heute gerne gründen. „Wir brauchen einen Verband, der an einem Strang zieht“, weiß der Fanbeauftragte von Hannover 96. Bei 96 wird gerade deutliche Kritik an den über 60 Prozent erhöhten Eintrittspreise laut. Eine Demonstration in der Innenstadt gab es bereits. Deutliche Signale, dass dieser Dachverband vom Vorstand um den 96-Präsidenten Martin Kind nicht gern gesehen wird. Kind weiß, dass ein Dachverband und auch die 400 Fans umfassende Gruppe der Hannover Ultras, die pro Spieltag 20 bis 30 neue Mitglieder zählt, in halbwegs demokratisch verfassten Vereinssatzungen zu einer Gefahr werden könnten.

Und wenn die Fans schon nicht zu kriminalisieren sind, dann wenigstens zu diffamieren. Damit versuchen die Klubs den starken Zuspruch der Fannetzwerke zu dämpfen – zum Schutz vor zuviel Einfluss der Basis. Auch deshalb wurde Sebastian Kramer jetzt Carsten Linke zur Seite gestellt. Der Ex-Profi soll mit fankulturellem Weitblick nebenbei für Ruhe sorgen. Eigentlich ist Linke derzeit Managerlehrling bei Ricardo Moar.