Speicher als kultureller Raum

In Manfred Bauditz‘ neu eröffnetem Spielzeugmuseum „Die Dachbodenbande“ in der Speicherstadt darf man alles anfassen. Auch dann, wenn es 200 Jahre alt ist

„Traurig, dass nichts mehr aufbewahrt werden muss“

Verfilzte Teddies mit Knopfaugen, vergilbte Zeitungen aus dem ersten Weltkrieg, ein verbeulter Puppenwagen, längst vergessene Einschulungsfotos in Schwarz-Weiß sowie alte Plüschsofas und klapprige Dreiräder finden sich hier. Manches ist zu durchdachten Installationen zusammengefügt, anderes ist in einer dunklen Ecke versteckt. Sogar der leicht modrige Geruch und das schummerige Licht im antiken Spielzeugmuseum erinnern an den Dachboden von Oma und Opa: Wer eine Reise in die Vergangenheit unternehmen will, ist im Kehrwieder 4 in der Hamburger Speicherstadt richtig. Seit drei Wochen hat die „Dachbodenbande“ rund um Mietzi, das Plüschkätzchen mit den großen grünen Augen, hier ein neues Zuhause gefunden.

Auf 450 Quadratmetern zeigt Betreiber Manfred Bauditz das bis zu 200 Jahre alte Spielzeug, das er in den vergangenen zwei Jahrzehnten angesammelt hat. Die Stücke stammen von Flohmärkten, aus Haushaltsauflösungen und von Bekannten. Spielzeug ist für Bauditz, der darauf besteht „kein Sammler“ zu sein, „beseelt und ein Zeichen der Liebe“. „Die Besucher sollen sich an ein Gefühl erinnern“, sagt der 53-Jährige, der in den vergangenen sieben Jahren ein rollendes Spielzeugmuseum in Schwerin betrieb. Eine Zielgruppe hat er nicht, „sondern nur einen Dachboden“.

„Alles darf angefasst und ausprobiert werden“, betont das Schild am Eingang. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Spielzeug sehr vorsichtig behandelt wird“, erklärt der gebürtige Rostocker die für ein Museum ungewöhnliche Aufforderung. „Das hier ist auch kein gewöhnliches Museum“, fügt er hinzu. So habe er ganz bewusst einen Dachboden als Ausstellungsraum gewählt, denn dieser sei „ als kultureller Raum ein Auslaufmodell“.

Mit dem Finger auf die Gesellschaft zu zeigen liegt ihm fern. Aber es macht ihn traurig, dass „in der heutigen Zeit nichts mehr aufbewahrt werden muss. Wo sollen die Kinder von heute in 30 Jahren nach ihrem Spielzeug suchen?“, fragt Bauditz, der es sich nicht nehmen lässt, Besucher persönlich über seinen Dachboden zu führen. „Jeder wird hier ein Teil sehen, das ihn berührt“, sagt er. „Die Ausstellung spricht die ganze Gefühlsebene an. Und wenn die Menschen, von widersprüchlichen Emotionen bewegt, hinauskommen, dann weiß ich, dass ich das Richtige tue.“ MAREIKE ADEN

täglich 10–18 Uhr, Kehrwieder 4, Speicherstadt geöffnet. Führungen können unter ☎ 0172-3293250 vereinbart werden.