Gerangel in der Stillezone

Rund 1.000 kommen zum Gelöbnix. Ein „anachronistisches Ritual am Tag des Hitler-Attentats“ sagen die Antmilitaristen und pfeifen, was die Lunge hergibt. Im Bendlerblock aber bleibt es ruhig

von STEFFEN BECKER
und ADRIENNE WOLTERSDORF

Im Bendlerblock ist die Marseillaise längst verklungen, die Politiker halten ihre Reden, als draußen, nicht mal in Hörweite, rund 1.000 Demonstrierende brüllen, singen und pfeifen, was die Lunge hergibt. Am Abend kommt es zu einem kurzen Gerangel mit der Berliner Polizei. Hitzige Diskussion zwischen Beamten und Organisatoren der Demo, weil die Polizei sich offenbar weiter als vereinbarten von dem Endpunkt der Demo platziert hat. Nervös kurven die Wasserwerfer herum, das öffentliche Gelöbnis der 250 Bundeswehrrekruten darf nicht gestört werden. Eine halbe Stunde später, gegen 18.30 Uhr, zieht die Polizei sich 30 Meter zurück. Ein kleiner Sieg. Doch das Gelöbnis drinnen geht weiter in seinem staatstragenden und fragwürdigen Ernst.

Ein „anachronistisches Ritual am Tag des Hitler-Attentas“ sei das Gelöbnis, mit dem die Bundeswehr sich einen demokratieverträglichen Nimbus anhängen wolle, sagen die Organisatoren der jährlichen Demo.

Ralf Siemens von der „Kampagne gegen Wehrpflicht“ spricht von rund 1.000 Teilnehmenden, die Polizei von 500 bis 800. Vom Brandenburger Tor über den Potsdamer Platz geht es in die Nähe des Bendlerblocks. Dort sicherten schon seit dem Morgen Einsatzkräfte und Feldjäger, erkennbar an ihren roten Baretten, weiträumig das Gelände. So weiträumig, dass der Störlärm der Demonstranten im Bendlerblock später nicht zu hören ist. Berichten zufolge sollen rund 1.000 Sicherheitsbeamte im Einsatz gewesen sein.

Ab dem Nachmittag wandert der Zug der Antimilitaristen, verstärkt durch rund 400 Globalisierungsgegner, die sich zuvor unter dem Slogan „Von Göteborg bis Genua“ an der italienischen Botschaft im Tiergarten versammelten, gen Reichpeitschufer. Während Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) des Wiederstands gegen Hitler am 20. Juli 1944 mit diversen Kranzniederlegungen gedachte, erinnerten die Globalisierungsgegener des Todes des jungen Italieners, der am 20. Juli 2001 beim G-8-Gipfel in Genua gestorben war.

„Nein zur BRD und ihrer Armee“ sagt das erste Transparent des Zuges. Neben fetziger Musik gibt es für die Gelöbnix-Teilnehmenden auch praktische Tipps im Umgang mit dem Staat: „Bei Festnahmen – frage nach dem Grund. Du hast Anspruch auf zwei Anrufe …“, dazu erklingt die Tatort-Trailermelodie.

Ein anderer Lautsprecher ruft „Soldaten sind...“, die Menge skandiert „Mörder“. Ein alter Mann trägt ein Pappschild auf dem steht: „Tucholsky kann man nicht verbieten“. „Man darf den Leuten einfach nicht verbieten, das zu sagen,“ meint er lächelnd.