Halbe Hemden in Orange

Das baskische Team Euskaltel-Euskadi unternimmt auf der heutigen Etappe einen umjubelten Abstecher in die Heimat. Dort strengen sich die Radler besonders an

GAILLAC taz ■ Die 100. Tour sollte eigentlich eine rein französische Angelegenheit werden. Anders als in den Vorjahren gibt es keine großen Schlenker ins Ausland. Die Tour ist eine Darstellung der Größe und Herrlichkeit der Grande Nation, daran wollten die Organisatoren zum Geburtstag mit Nachdruck erinnern.

Doch am heutigen Montag und am Mittwoch wird die Tour wohl enteignet werden, obwohl sie Frankreich nicht verlässt. Die Etappen nach Luz-Ardiden und nach Bayonne führen durch die Pays-Basque, das französische Baskenland. Nun hat dort der Radsport nicht nur quasireligiösen Status. Die Basken haben mit dem Sieger von L’Alpe d’Huez, Iban Mayo, und in Haimar Zubeldia Fahrer im Rennen, von denen sie viel erwarten, gerade am Montag, wenn es über den Aspin und den Tourmalet geht. Und sie haben eine eigene Mannschaft: In Mayos Team Euskaltel stehen, wie auch bei Atlético Bilbao üblich, ausschließlich baskische Athleten.

Das Team entstand 1994. Schon immer haben die Basken große Radfahrer hervorgebracht: Marino Lejarreta, Inaki Gaston oder Federico Echave haben alle bei der Tour Etappen gewonnen oder das gelbe Trikot getragen. Der berühmteste war aber Miguel Indurain, der fünffache Toursieger aus der baskischen Provinz Navarra. Auch heute sind die klingendsten Namen des spanischen Radsports baskisch: Joseba Beloki, Igor Gonzalez de Galdeano, Etxebarria, Roberto Laiseka und eben Mayo. Nirgendwo in Spanien gibt es so viele Vereine und so viele Rennen wie im Baskenland. Und nirgends gibt es so viele Profis: rund 60, etwa 40 Prozent der spanischen Berufsfahrer. Im Baskenland gibt es einen Radprofi auf 4.000 Einwohner; im Rest Spaniens ist es einer auf 390.000 Einwohner.

In den 70er- und 80er-Jahren gab es mit Kas und Fagor schon einmal baskische Mannschaften, die jedoch finanziell scheiterten. Deshalb hatte Manuel Madariaga, Radsportfanatiker und Taxifahrer aus Bilbao, im Jahre 1994 die Idee, eine Profimannschaft als Genossenschaft zu organisieren. Jede baskische Privatperson konnte Anteile kaufen, und es fanden sich auf Anhieb 5.000 Willige. Voraussetzung zur Aufnahme war, dass der Fahrer im Baskenland geboren wurde oder bei einer baskischen Amateurmannschaft gefahren ist. Das Team Euskadi bedeutet übersetzt in etwa: die Basken.

Das Konzept ging drei Jahre lang auf, dann kam Madariaga in finanzielle Bedrängnis: Das Team war zu teuer geworden, als dass es noch hätte genossenschaftlich finanziert werden können. Doch die Mannschaft war mittlerweile so populär geworden, dass ein Sponsor aus der Patsche half: Euskaltel, die baskische Telefongesellschaft, sprang ein, das Team wurde in Euskaltel-Euskadi umbenannt.

Der bislang größte Erfolg der Mannschaft liegt nun allerdings schon zwei Jahre zurück. Es war die große Pyrenäenetappe der Tour nach Luz-Ardiden. Die baskischen Fans waren zu hunderttausenden über die Grenze gekommen. Die Hänge des Tourmalet waren in Orange, die Farbe von Euskatel, getaucht und ein Angriff der Mannschaft war programmiert. Roberto Laiseka war der Mann, der sich damals traute und Lance Armstrong und Jan Ullrich davonfuhr.

Es wird am Montag mit einem Angriff von Iban Mayo gerechnet. Er besiegte Armstrong nicht nur in L’Alpe d’Huez, sondern bereits bei einer Etappe der Dauphiné-Libéré-Rundfahrt im Juni. In jedem Fall wird Mayo auf den Rampen des Aspin und des Tourmalet in seiner Muttersprache, dem Baskischen, angefeuert werden. Das ist sogar durch ein offizielles Abkommen garantiert: Zumindest die Etappe vom Mittwoch ist als zweisprachig deklariert worden. Das hatte Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc mit der baskischen Organisation Batasuna ausgehandelt.

Die spanische Regierung war darüber nicht erfreut, denn Batasuna ist in Spanien geächtet und gilt als terroristischen Vereinigungen nahe stehend. Flugs kappte Leblanc den Kontakt mit der Batasuna und gestattete daraufhin dem Bürgermeister von Bayonne die Zweisprachigkeit der Ansagen, auf Plakaten und in Programmheften. Mit Euskaltel darf die Tour indes auch in Zukunft bedenkenlos Geschäfte machen: Das Radteam gilt trotz seiner separatistischen Philosophie als unbedenklich.

SEBASTIAN MOLL