Mission gescheitert

Frankreich startete offenbar einen Versuch zur Befreiung der kolumbianischen Politikerin Ingrid Betancourt

PORTO ALEGRE taz ■ „Illegale Befreiungsaktion in Amazonien“ titelte die brasilianische Zeitschrift Carta Capital am Samstag. Es geht um die kolumbianische Abgeordnete Ingrid Betancourt, die gegen die Korruption kämpfte und im Februar 2002 von der dortigen Farc-Guerilla geefangen genommen wurde. Stichhaltigster Beweis des Blattes: das Foto einer imposanten Militärmaschine vom Typ Hercules C-130 auf dem Zivilflughafen von Manaus. Die dazugehörige Reportage liest sich wie ein Krimi, offene Fragen inklusive.

Fest steht: Vom 9. bis zum 13. Juli hält sich die Hercules in Manaus auf. Vier Diplomaten, darunter Pierre Henri Guignard, der Lateinamerika-Beauftragte des französischen Außenministeriums, fliegen mit einer gecharterten Privatmaschine 1.000 Kilometer gen Westen, unweit der Grenze zu Kolumbien. Am Tag darauf lassen sie sich wieder abholen, allerdings ohne die vier Personen, die sie mitbringen wollten. Bei einem Priester hinterlassen sie eine Telefonnummer in Manaus.

Tage später suchen Ingrid Betancours Ehemann und Schwester völlig aufgelöst die brasilianischen Behörden auf und berichten ihnen von der Zusage der kolumbianischen Farc-Guerilla, die 41-jährige Ingrid Betancourt freizulassen. Sie besitzt auch die französische Staatsbürgerschaft. In Manaus verwehren die 13 beteiligten Franzosen mit Diplomatenpässen und dem Hinweis auf „Staatsraison“ der brasilianischen Bundespolizei den Zutritt zur Militärmaschine. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Außenminister Celso Amorim erfahren in London von der Geheimmission „14. Juli“. Die Franzosen, die angeblich nur zum Auftanken nach Manaus gekommen sind, müssen das Land verlassen.

Am Samstag bestritt Frankreichs Botschafter in Kolumbien direkte Kontakte zwischen Paris und den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (Farc). Die Hercules habe im Rahmen einer „humanitären Operation“ nur medizinische Ausrüstung an Bord gehabt. Die Brasilianer hingegen vermuten, dass sich in der Militärmaschine Waffen befunden haben könnten.

Unklar ist auch, warum die Aktion gescheitert ist. Wollten die Farc zunächst einmal testen, wie ernst es den Franzosen war? Befürchteten sie, die Geheimdienste hätten Wind von der geplanten Übergabe bekommen?

In Brasília ist man verärgert, weil man von der französischen Regierung über das Vorhaben im Dunkeln gelassen wurde. Das Eindringen der Hercules nach Brasilien unter fadenscheinigen Gründen wird als schwerer Verstoß gegen die nationale Souveränität gewertet. Die Begleitumstände der Mission seien „explosiv“, so ein hoher Regierungsbeamter gegenüber Carta Capital. Auch der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe war offenbar erst vorgestern im Bilde.

Betancourts Angehörige werfen Uribe vor, die Freilassung der Politikerin zu hintertreiben. Der Präsident, der die Farc militärisch bezwingen will, lehnt deren Forderung nach einem Austausch von rund 70 entführten Politikern, Soldaten und Polizisten gegen inhaftierte Guerilleros strikt ab. GERHARD DILGER