„Es schadet nicht, es hilft mir“

INTERVIEW WOLFGANG LÖHR
UND BERNHARD PÖTTER

taz: Herr Jachmann, Sie haben fünf Sätze, um Skeptiker davon zu überzeugen, dass wir die grüne Gentechnik in Deutschland brauchen.

Theo Jachmann: Mit fünf Sätzen ist das nicht zu machen. Seit zehn Jahren arbeite ich jetzt in diesem Bereich. Meine Erfahrung zeigt, dass Sie mit Erklärungen allein niemand überzeugen können. Sie müssen Gentechnik zu einer Normalität machen und Vertrauen schaffen. Die Menschen müssen es im Regal sehen und sagen: Es schadet nicht, es hilft mir.

Versuchen Sie es doch trotzdem.

Erstens: Wir sollten in Deutschland forschen, testen und eine Zukunftstechnologie entwickeln können. Zweitens: Es gibt Vorteile für den Landwirt. Er kann arbeitsintensive Mittel ersetzen und bekommt trotz geringeren Einsatzes einen höheren Ertrag, bessere Qualität bzw. umweltschonende Arbeitsverfahren. Drittens: Der Verbraucher kann einen Vorteil haben. Nehmen Sie unseren Weizen, den wir in Bernburg testen wollten. Die eingefügte Resistenz verhindert die Schimmelpilzbildung und Mykotoxine, die nicht in Brot und Futter landen sollten. Das wären schon mal drei Gründe.

Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass es in Deutschland ein Brot gibt, auf dem steht: „Gentechnisch verändert und deshalb gesünder“?

Wir werden bald erleben, dass auf dem Brot steht: „Mit gentechnischen Zutaten gebacken“. Ich könnte mir auch vorstellen, dass da steht: „Aus glutenfreiem Weizen“ – das wäre ein Segen für alle Glutenallergiker. Aber: „Gentechnisch verändert und daher gesünder?“ Ich denke, wir sollten die Dinge nicht so polarisieren.

Würde der Kunde zugreifen?

Nachfrage entsteht aus sehr individuellen Motiven, das kann man nicht katalogisieren. Wir haben bislang keinen Testfall. Aber die gleichen Menschen, die das hier ablehnen, fahren in die USA und essen dort Genfood.

Da steht es auch nicht drauf.

Aber jeder weiß doch, dass in den USA GVO-Produkte sehr verbreitet sind. Ich glaube, die Leute werden GVO-Produkte auch hier kaufen. In England gab es vor Jahren ein trotz oder wegen der Kennzeichnung sehr erfolgreiches Tomatenpüree. Spätestens in einem Jahr werden wir das sehen, wenn die Altprodukte und -verpackungen aufgebraucht sind. Dann muss gekennzeichnet werden.

Der Vorstandschef von Bayer sagt, die Vorteile der grünen Gentechnik liegen beim Anwender, nicht beim Kunden. Stimmen Sie dem zu?

Gegenwärtig ja. Was wir auf dem Markt haben, sind Resistenzen gegen Insekten und Pilze sowie Pflanzen, die eine Erleichterung bringen bei der Bekämpfung von Unkräutern. Da liegen im Wesentlichen die Vorteile beim Landwirt.

Alle warten auf die viel beschworene zweite Generation der Gentech-Produkte: Das Bier, das schlank macht, die Margarine, die den Blutdruck senkt. Wann kommen diese Produkte?

Das sind schöne Schlagworte. Es gibt ein Forschungsprojekt, das seit 1998 versucht, in den Raps einen Stoff gegen den Krebs einzuschleusen. Das ist aber noch lange nicht marktreif. Auch unser pilzresistenter gentechnisch veränderter Weizen käme nicht vor dem Jahr 2010 auf den Markt. Was man heute kann, ist Stärke in Kartoffeln zu verändern. Damit bekommt man bessere nachwachsende Rohstoffe.

Davon hat aber der Verbraucher nichts.

Ich denke, dass wir so vordergründig nicht argumentieren können: Wenn Landwirte mit Hilfe von GVO-Pflanzen zum Beispiel pfluglos und damit bodenschonend arbeiten können, schont das den Naturhaushalt- und nutzt damit auch dem Verbraucher. Zum anderen ist diese Diskussion schwierig, weil persönlicher Nutzen sehr individuell empfunden wird. Wie zum Beispiel Biopharming oder verbesserte Inhaltsstoffe akzeptiert werden, muss man sehen.

Industrie und Politik argumentieren immer mit der zweiten Generation. Das macht die Sache nicht glaubwürdiger.

In den nächsten drei bis fünf Jahren wird Gentechnik in Deutschland nicht in großem Stil Einzug halten. Die Frage ist doch: Wer hat einen Nutzen davon? Der eine möchte Pflanzen, die mit Vitaminen angereichert sind. Dem anderen reicht eine Vitamintablette. Lassen wir das am Ende den Verbraucher entscheiden.

Ist Ihnen die Diskussion in Deutschland zu hysterisch?

Nehmen Sie unseren Fall in Bernburg, wo wir Genweizen gesät haben. Wir beantragen zwei Freisetzungsversuche: wir wollten auf je 200 m[2]unseren Weizen anbauen, der von 43 beziehungsweise 22 Hektar Raps umgeben ist. Weizen ist ein Selbstbefruchter, das heißt, eine Auskreuzung ist unmöglich. Als Schutz stehen hunderte von Metern Raps vor dem nächsten Feld. Wir kündigen die Versuche an, laden vor Ort zur Informationsveranstaltung ein, wir kennzeichnen, bauen einen Zaun um die Versuchsflächen, nicht um Menschen abzuhalten, sondern um Kaninchen abzuwehren. Dann kommt Greenpeace mit 130 Leuten in Bussen angefahren und macht diese Kleinparzellen und die umliegenden Rapsflächen kaputt. Ist das Hysterie? Ist das Schüren von Hysterie? Es ist zumindest völlig inadäquat.

Das ist Ihnen mit dem Weizen jetzt dreimal passiert. Ziehen Sie sich aus den Freilandversuchen zurück?

Wie soll ich etwas entwickeln und anbieten, wenn ich daran gehindert werde, es überhaupt zu erforschen? Wie soll ich in Deutschland jemals eine Sortenzulassung bekommen, wenn ich die ersten Versuche nicht machen kann? Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wir sollen Sicherheitsforschung durchführen, aber es kommt kein Koexistenz-Anbau in Gang. Deshalb frage ich mich auch, wie lange wollen wir das machen in Deutschland.

Also: Wie lange?

Wir wissen nicht, ob wir das im nächsten Jahr noch einmal versuchen werden. Ich muss das im Unternehmen ja auch verantworten. Die sagen mir: Liebe Syngenta Deutschland, ihr gebt da eine Menge Geld aus, kommt aber nicht zum Ziel. Wir werden uns aus dem deutschen Markt nicht zurückziehen. Saatgut und Pflanzenschutz, das machen wir weiter. Und wir werden auch weiterhin zur Gentechnik stehen. Allerdings beurteilen wir die Entwicklung in Deutschland konservativ und wägen unsere Aktivitäten deshalb sehr sorgsam ab.

Sie können ja auch den Gegnern nicht die Genugtuung geben, auszusteigen.

Das wäre emotional gedacht. Ich habe ein Unternehmen zu führen und einen Output zu bringen. Wenn das auf Dauer nicht möglich ist, dann werde ich mir überlegen, ob das nicht besser in Spanien geht. Da ist der Weizen schon im Boden. Aber: Der Weizen wäre hier in Deutschland hoch willkommen. Fusarien und Mykotoxine sind ein echtes Problem. Aber wenn es weiter solche Aktionen gibt, bin ich ratlos. Ich kann die Versuche doch nicht unter Polizeischutz durchführen und eine Mauer drumherum bauen.

Sie könnten es geheim machen, wie die anderen.

Ach, geheim. Das hat doch den Ruch von Geheimnis und Gefahr, auch wenn es in Wahrheit um den Schutz vor Zerstörung geht. Dann bekomme ich nichts zum Anfassen. Was ich brauche ist Normalität. Normalität in der Bevölkerung. Die Leute müssen sagen, das ist eine Pflanze, die kann ich anfassen, die kratzt nicht, spuckt nicht, schlägt nicht. Das geht nicht, wenn ich es geheim mache.

Welche Fehler hat Ihre Branche gemacht?

Wir haben am Anfang nur an die Produktion gedacht und nicht an den Kunden. Bei der Einführung der Gentechnik in Europa hatte die Branche das Thema Kennzeichnung aufgrund der wachsenden Akzeptanz in den USA nicht auf der Tagesordnung. Wenn man in den USA nicht kennzeichnen muss, dann hier auch nicht. Das war ein Fehler. Wir hätten schon vor zehn Jahren kennzeichnen sollen.

Ihr BT-11-Mais hat das EU-Moratorium zur Gentechnik gekippt; sind Sie ein bisschen stolz darauf?

Das hat mir nur Arbeit gebracht. Außerdem ist mir das etwas zu pathetisch. Warten wir erst einmal die weitere politische Entwicklung ab.

Wie geht es denn in Brüssel weiter?

Man muss sehen, wie sich der Zwiespalt zwischen den Nordländern und den Südländern entwickelt und ob man da eine Art von Konsens hinbekommt. Wir brauchen Normalität. Vor allem müssen wir zurück zu einem Verfahren, das die Entscheidungen von Fachbehörden akzeptiert. Wir können nicht jede Zulassung einer neuen Sorte politisch diskutieren.

Genau das haben die Gegner ja gewollt und erreicht. Sehen Sie denn, das die Politik sich aus der Gentechnik zurückzieht?

Das kommt auf die Ebene an. In Sachsen-Anhalt oder Bayern haben wir kein Problem. Wir haben sechs, sieben Bundesländer, die den Koexistenz-Anbau unterstützen. Es wird aber nicht mit Frau Künast gehen.

Können Sie mit dem Gentechnikgesetz von Agrarministerin Künast leben?

Wir sind froh, dass es endlich angepackt worden ist. Dass wir die Kennzeichnung haben, hätte schon viel früher kommen müssen. Wir wollen ja gesetzliche Vorschriften, an die wir uns zu halten haben. Die Vorgaben zur Koexistenz hingegen sind nicht sehr hilfreich. Auch die Haftungsregelung geht so nicht. Damit finden wir keinen Landwirt, der das anbauen will. Die Haftung sollte nicht anders geregelt sein als in anderen Bereichen auch. Bei Autos gibt es ja auch keine Fonds oder allgemeine Haftung der Pkw-Hersteller.

Sie können ja auch einfach zwei Jahre warten, bis es eine neue Bundesregierung gibt.

Ein Kanzler wird nicht verordnen können, ihr seid jetzt für Gentechnik. Die Gesellschaft muss es wollen. Ich muss die Akzeptanz haben.