Waffen sind den Deutschen wichtig

2,3 Millionen Bundesbürger haben Waffen und wollen auch weiterhin ungehindert schießen, jagen und Büchsen sammeln. Mit dem neu verabschiedeten Waffenrecht sind die Lobbygruppen sehr zufrieden. Es lässt viel Raum für Interpretationen

„Dynamischer“ Sport heißt für einige, auf plötzlich auftauchende Ziele zu schießen

von MAX HÄGLER

Es war nur eine wenig beachtete kommunalpolitische Meldung: Der Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge (CDU) will in seiner Stadt erst die Schulleitungen befragen, bevor Jugendliche eine „Waffenbesitzkarte“ erhalten. Bislang gibt es 19 Erfurter, die jünger als 25 Jahre sind und eine solche Karte haben. Robert Steinhäuser war einst einer von ihnen. Am 26. April 2002 erschoss er in seiner ehemaligen Schule 16 Menschen und tötete sich anschließend selbst. Zum Jahrestag des Amoklaufs hatte Ruge moniert, dass „der erhoffte große Ruck“ bei der Waffenrechtsverschärfung ausgeblieben sei. Mit seiner Initiative hofft er daher „auf eine Signalwirkung in Richtung Bund und Thüringen“.

Aber auch die Gegenseite war lange unzufrieden mit der Waffenrechtsnovelle, die am 1. April in Kraft getreten ist. So beschwerte sich die Waffenlobby über das Verbot einiger Schießdisziplinen, zum Beispiel sollte das Schießen auf „bewegte Ziele“ nicht mehr erlaubt sein. Selbst rotierende Scheiben sollte es nicht mehr geben. Allerdings gelang es durch hartnäckige Lobbyarbeit, die Umsetzungsverordnung doch noch im Sinne der Waffenverbände zu gestalten. Am 7. Mai traf man sich mit Innenminister Otto Schily (SPD); nach drei Stunden Gespräch hatte man sein Ziel erreicht. Erfreut teilte das FWR auf seiner Homepage mit, „dass die Gesprächsführung der politischen Leitung des Innenministeriums erneut deutlich auf die Findung eines sinnvollen Konsenses mit den Verbänden ausgelegt war“. Gerade bei „für die Verbände vitalen Formulierungen“ seien Änderungen versprochen worden. So wird etwa wieder das Feuern auf „laufende Scheiben“ ermöglicht.

Einige Verbände legen dies sehr weit aus. Das FWR deutet Schilys Zusagen so, dass etwa die Disziplin „IPSC“ weiterhin möglich ist. Bei dieser „dynamischen“ Schießsportart müssen die Schützen teilweise im Laufen plötzlich auftauchende Ziele treffen – was von vielen Experten als militärisches Training eingestuft wird. Dabei hatte das Waffengesetz ursprünglich verhindern wollen, dass das Schießen auf Menschen im Zivilsport simuliert wird.

2,3 Millionen Waffenbesitzer gibt es in Deutschland: Sportschützen, Jäger, Sammler und ihre Büchsenmachereien. Und weil die 2,3 Millionen Waffenbesitzer auch 2,3 Millionen Wähler sind – Ehefrau und Familien nicht eingerechnet –, hat sich jahrelang nichts getan beim deutschen Waffenrecht, obwohl Experten schon lange Verschärfungen forderten. Und ohne die Tat des Robert Steinhäuser wäre die Novelle noch laxer ausgefallen. Wurde doch an dem Tag des Attentats das erste Mal über eine Novelle abgestimmt, damals noch mit nur sehr schwachen Änderungen. Erst nach diesem Blutbad konnte sich die Politik kurze Zeit durchsetzen und das Recht wurde ein wenig verschärft.

Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, meint dazu resigniert: „Die Waffe steckt in unserer Gesellschaft drin.“ Er nennt die Waffenlobby eine „entschlossene, hochorganisierte Interessenvertretung“. Wobei die Wahrnehmung der eigenen Anliegen natürlich gestattet sein müsse – zumal die meisten ja rechtstreu seien und die Waffe nur als Wertgegenstand oder als Sportinstrument sähen. Waffenbesitzer seien „vielleicht zu vergleichen mit Autoenthusiasten“.

Und begeistert von Waffen sind viele Gruppen. Waffenschmieden und Büchsenmachereien wie „Heckler & Koch“, Bekleidungshersteller wie Frankonia, Optikfirmen wie Zeiss oder auch die Schützenvereine vor Ort, in denen es hauptsächlich um das gesellige Beisammensein geht. All diese Waffenbesitzer und Wähler zu einer noch wortgewaltigeren Stimme zu bündeln, hat sich das FWR zur Aufgabe gemacht. Ziel dieses Lobbyverbandes mit seinen über 170 Mitgliedsorganisationen ist es laut Selbstdarstellung „den legalen Waffenbesitz insgesamt zu verteidigen“.

Denn das FWR kann im legalen Waffenbesitz „keine Gefahr“ für den Rechtsstaat erkennen. Ganz im Gegenteil: Man müsse „langfristige Akzeptanz“ für das Schießen in der Gesellschaft gewinnen. Die Nachbesserungen in dem neuen Recht scheinen für die Lobbyisten der erste Weg dahin zu sein. „Warum nicht gleich so“, fragt der Verband in einer Mitteilung vom 15. Juli, die die Umsetzung analysiert.