Fast ein Strauß-Sieg

CSU-Parteitag verschafft Stoiber eine 96,97-Prozent-Wiederwahl. Seehofer abgewatscht

aus Nürnberg JÖRG SCHALLENBERG

Als es endlich spannend wurde auf dem Parteitag der CSU, da saß Edmund Stoiber im Scheinwerferlicht diverser Kameras und aß eine Bockwurst mit Senf – als ob ihn das alles gar nichts anginge. Dabei wurden gerade die Delegiertenstimmen der Wahl zum Parteivorsitzenden ausgezählt, seiner Wahl.

Doch Stoiber hatte ein Problem. In den vergangenen Wochen musste er Kritik von seinem Stellvertreter Horst Seehofer, vom früheren Parteivorsitzenden Theo Waigel und von Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch einstecken – jetzt brauchte er ein überragendes Wahlergebnis. 2001 hatte er 96,6 Prozent der Stimmen bekommen. Weniger wäre eine Niederlage.

Dann kündigte der Wahlleiter das Ergebnis an. Edmund Stoiber schob schnell den Teller weg, seine Gesichtszüge spannten sich an. Aus dem Lautsprecher tönte es: „Mit Nein stimmten 28, mit Ja 895 Delegierte. Das sind 96,97 Prozent!“ Mit einem Schnaufen der Erleichterung erhob sich Stoiber und eilte aufs Podium. Zwar war Franz Josef Strauß einst bei 99 Prozent gelandet. Doch für Edmund Stoiber bedeutete es das bisher beste Ergebnis. Komplett war sein Triumph, als Horst Seehofer kräftig abgewatscht wurde. Der Gesundheitsexperte kam lediglich auf 85,1 Prozent als CSU-Vize – vor zwei Jahren hatte er 12 Prozent mehr erhalten und sogar vor Stoiber gelegen.

Doch Seehofers Eigensinn bei den Verhandlungen zur Gesundheitsreform hatte ihm wohl insbesondere die CSU-Landesgruppe im Bundestag übel genommen. Außerdem „haben die Kettenhunde ganze Arbeit geleistet“, wie ein Delegierter aus Oberfranken mit maliziösem Lächeln kommentierte und dabei in Richtung von CSU-Generalsekretär Thomas Goppel und Staatskanzleichef Erwin Huber nickte.

Doch vielleicht war allzu viel Intrigieren gar nicht nötig gewesen, denn bei den Delegierten hörte man mehrere ärgerliche Äußerungen über den Querdenker Seehofer. Der diktierte nach der Vorstandswahl dann mit etwas versteinerter Miene den Journalisten in die Blöcke, dass er unbeirrbar weiter seinen Weg gehen werde: „Dazu habe ich mich während meiner Krankheit entschieden.“ Der Exgesundheitsminister wäre im Jahr 2002 fast an einer Herzmuskelentzündung gestorben.

Fünf Reihen hinter Horst Seehofer saß Theo Waigel. Er hatte seinen früheren Kabinettskollegen in der vergangenen Woche als bestmöglichen Stoiber-Nachfolger angepriesen und erklärte nun, „dass ich Horst Seehofer damit weder genützt noch geschadet habe. Er hat Widerspruch gewagt und damit Widerstand in der Partei riskiert.“ Seehofer selbst sah das anders: „Theo Waigel hat allen, die er namentlich genannt hat, geschadet.“

In seiner fast zweistündigen zwar nicht mitreißenden, aber emotionalen. Rede griff Stoiber erneut Roland Koch an, der das Vorziehen der Steuerreform ablehnt. Stoiber will dagegen ebenso wie CDU-Chefin Angela Merkel mit der Bundesregierung über einen „Finanzierungsmix“ aus Neuverschuldung, Subventionsabbau und Privatisierungen verhandeln. Stoiber spottete genüsslich, dass der Freistaat Bayern seine Neuverschuldung auf 350 Millionen Euro gesenkt habe – „das nur halb so große Hessen hat seine Schulden dagegen auf 2 Milliarden erhöht.“ Und es folgte der Ratschlag: „Deshalb sollte man, bevor man große Forderungen an die Bundespolitik stellt, erst einmal im eigenen Land Ordnung schaffen.“ Dagegen wirkten die Angriffe auf die rot-grüne Bundesregierung bei aller Kraftmeierei halbherzig. Ebenso wie Merkel setzt Stoiber im Zweifelsfall eher auf Zusammenarbeit denn auf Konfrontation.

An diesem Wochenende war ohnehin Bayern am wichtigsten. Stoiber zählte auf, wo der Freistaat von der Wirtschaft über die Erwerbstätigkeitsquote der Frauen bis zur Bildung an der Spitze liege; er gab sich bei der Gesundheitsreform als kämpferischer Anwalt der kleinen Leute und vermied konkrete Aussagen. Den dröhnendsten Applaus kassierte er, als er drakonische Strafen für gewalttätige Schüler ankündigte: „Wer randaliert, fliegt!“ Die Welt kann so einfach sein. Leider gilt das nur für Bayern.

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