Landesfürsten auf Pump

Die CDU-Hoffnungsträger in Hessen und Niedersachsen kriegen ihre Landeshaushalte nicht in den Griff

Wer wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch bundespolitisch ambitioniert ist und 2006 womöglich zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt werden möchte, sollte seinen eigenen Laden im Griff haben. Doch in Hessen sieht es im Moment aus wie bei Hempels unterm Sofa. Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) fährt wegen wegbrechender Einnahmen und „hausgemachter Strukturprobleme“ (so die SPD) gerade den Landeshaushalt 2003 an die Wand; ein Nachtragshaushalt ist schon absehbar. Die Deckungslücke beträgt rund 700 Millionen Euro. Dabei ist noch nicht einmal der Landeshaushalt 2002 unter Dach und Fach. Gegen den Nachtrag vom Herbst des vergangenen Jahres reichte die SPD eine Normenkontrollklage beim hessischen Staatsgerichtshof ein. Er sei „ganz offenbar verfassungswidrig“.

Auch anderswo „brennt es an allen Ecken und Enden“, wie der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Tarek Al-Wazir, gerade konstatierte. So leistet sich der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) mit der Versetzung des hessischen Polizeipräsidenten Udo Scheu, 57, in den vorzeitigen Ruhestand einen eigenen aparten Beitrag zur Rentendebatte. Weil, so der Minister, zwischen ihm und dem von ihm 2001 selbst berufenen obersten Polizeibeamten des Landes „die Chemie nicht mehr stimmte“, bezieht Scheu ab sofort fünf Jahre lang 75 Prozent seiner letzten Bezüge fürs Nichtstun; danach bekommt er seine normale Pension. Für den Spaß muss der ohnehin klamme Finanzminister über die bis 2007 laufende Legislaturperiode hinaus rund 350.000 Euro aufbringen. Koch meint dazu nur missmutig, „nach dem Beamtenrecht“ habe Bouffier korrekt gehandelt.

Koch möchte allerdings die Zügel in Wiesbaden anziehen. Das werde „schmerzhaft für Institutionen und Bürger“ sein. Dass Hessen beim ökonomischen Vergleich der Bundesländer vom dritten auf den sechsten Platz abrutschte, wertete er als „Alarmsignal“. „Wir kämpfen wieder um die Plätze eins bis drei; und zwar ab sofort.“ Rund 450 Millionen Euro will er im Vergleich mit dem maroden Haushalt 2003 einsparen; das entspricht in etwa der Summe der für 2004 prognostizierten Mindereinnahmen. Und Koch rechnet weiter vor: Sollte die Steuerreform tatsächlich auf 2004 vorgezogen werden, würde das die Landeskasse mit noch einmal rund 500 Millionen Euro belasten. Deshalb könne kein Zuwendungsempfänger im nächsten Jahr noch davon ausgehen, dass er mehr bekommen werde als in diesem Jahr. Im Gegenteil müssten „alle“ davon ausgehen, „dass sie weniger kriegen“. Beamte hätten sich auf Kürzungen beim Weihnachtsgeld und auf längere Arbeitszeiten einzustellen.

Dass dies nicht genügt, weiß auch Koch. Es gehe um „strukturelle Veränderungen“. Alle Ministerien hätten sich mit ihren Etats zu bescheiden. Und Koch will ran an die Subventionen, vor allem beim Verkehr (ÖPNV) und bei der Landwirtschaft; am liebsten mit dem Rasenmäher. Etwa 370 Millionen Euro an Subventionen belasten den laufenden Haushalt. Für 2004 peilt Koch eine Reduzierung „im zweistelligen Prozentbereich“ an. Beim Streichen macht Kleinvieh übrigens auch Mist. So sollen etwa Schausteller zukünftig den vollen Steuersatz beim Kauf von Kraftstoff für ihre Zugmaschinen bezahlen. Selbst auf dem Felde der Bildung, auf dem die Regierung Koch in der vergangenen Legislaturperiode brillierte, plant der 45 Jahre alte Ministerpräsident einen Einschnitt. Zwar bleibe es bei den versprochenen 500 neuen Lehrerstellen für Hessen; doch ihre Realisierung könne sich bis 2008 verschieben. Koch muss dann in Hessen sein Wahlversprechen vielleicht nicht mehr persönlich umsetzen – weil er da schon zwei Jahre lang Bundeskanzler ist. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Jeder weiß, dass der Honeymoon vorbei ist“, warnte Ministerpräsident Christian Wulff gern, als die Beratungen über den Haushalt 2004 begannen. Inzwischen hat das Landeskabinett den Etatentwurf für 2004 verabschiedet, und es zeigt sich, dass die im kommenden Jahr geplanten Einsparungen und Kürzungen durchaus Wulffs Handschrift tragen: Einbußen müssen nun vor allem die Landesbediensteten beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die niedersächsischen Hochschulen, zahllose soziale Einrichtungen von Drogenberatungsstellen bis zum Frauenhaus und etwa durch die Kürzung des Landesblindengelds auch die Behinderten hinnehmen.

Von einem verfassungsmäßigen Landeshaushalt, auf dem die SPD-Opposition in Hessen gerade per Normenkontrollklage beharrt, ist die Regierung Wulff dennoch weit entfernt. Die für das kommende Jahr geplante Nettoneuverschuldung liegt mit 2,5 Milliarden Euro immer noch gut 1,1 Milliarden über der vorgesehenen Summe der eigenfinanzierten Investitionen. Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring wird auch für 2004 das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht für gestört erklären, wie es sein SPD-Amtsvorgänger auch für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 getan hatte. Das wird so weitergehen: Die Verschuldung soll jährlich um 350 Millionen Euro zurückgeführt werden und damit nach der derzeitigen Planung selbst im Jahr 2007 mit 1,45 Milliarden Euro noch knapp über den erwarteten Investitionen von dann 1,39 Milliarden liegen. Verfassungsklagen der Opposition vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg hat Wulff dennoch nicht zu befürchten. Schließlich war es der letzte SPD-Ministerpräsident, Sigmar Gabriel, der die Nettoneuverschuldung des Landes schon 2002 auf 2,9 Milliarden Euro hoch getrieben hatte.

Die Einsparklausur, mit der die Landesregierung aus dem Etatentwurf für 2004 angeblich 1,45 Milliarden Euro gekürzt hat, war gut inszeniert. Rechnerischer Ausgangspunkt der Sparoperation für 2004 waren nicht die realen Ausgaben des laufenden Jahres, sondern die Mittelforderungen, die die einzelnen Ressorts für das kommenden Jahr angemeldet hatten. So sparte Wulff nach eigenen Worten zwar knapp eineinhalb Milliarden Euro ein. In dem dann verabschiedeten Haushaltsentwurf lagen die für 2004 vorgesehenen Ausgaben dann aber mit insgesamt 22,05 Milliarden nur um 166 Millionen Euro unter den Ausgaben dieses Jahres.

Wulff hat demnach bislang vor allem Umschichtungen vollzogen. Erfüllen kann er nun seine zwei zentralen Wahlversprechen, die Einstellung von 1.000 zusätzlichen Polizisten und die Schaffung von 2.500 weiteren Lehrerstellen, bei denen mit sinkenden Schülerzahlen aber bald wieder der Abbau ins Haus stehen wird. Leidtragende der Umschichtungen sind etwa die Hochschulen, an denen ganze Studiengänge gestrichen und Fachbereiche geschlossen werden sollen. Gekürzt wird auch bei der Hilfe für Drogenabhängige, bei Projekten gegen häusliche Gewalt, bei der Betreuung junger Straftäter oder der Verbraucherberatung. Die Landesbeamten sollen im kommenden Jahr auf ihr Urlaubsgeld ganz verzichten, das Weihnachtsgeld soll auf 50 Prozent eines Monatsgehaltes sinken. Gern würde Wulff die gleichen Kürzungen auch bei den Angestellten und Arbeitern des Landes durchsetzen, schließlich hat er kürzlich im Bundesrat auch eine Gesetzesinitiative zur allgemeinen Aushebelung des Flächentarifs persönlich begründet. Allerdings haben die Angestellten und Arbeiter, sofern sie noch bis Ende Juli der Gewerkschaft beitreten, auch bei Kündigung der entsprechenden Tarifverträge auf Dauer einen Rechtsanspruch auf Urlaubsgeld und 85 Prozent Weihnachtsgeld. JÜRGEN VOGES