Konkurrent am eigenen (Jade-)Busen

Bremen will einen Gutteil des Hafenneubaus in Wilhelmshaven finanzieren. Aber was heißt das für Bremerhaven? Die Stadt mit den meisten Arbeitslosen in Westdeutschland könnte Schaden nehmen, mutmaßt eine Studie der Arbeitnehmerkammer

Die Politik hat die Bedenken stets zerstreut, wenn es um die Rechtfertigung des Milliardeninvests gehtHamburg mochte kein Geld für einen Hafen in die Hand nehmen, der dem eigenen Konkurrenz machen wird

aus Bremerhaven Jan-Phillip Hein

Dass der Jade-Weser-Port, der derzeit unter bremisch-niedersächsischer Regie in Wilhelmshaven gebaut wird, Bremerhaven kannibalisieren wird, befürchten viele. Die Politik hat die Bedenken stets zerstreut, wenn es um die Rechtfertigung der Milliardeninvestition geht. 43,8 Millionen Euro investiert Bremen in die Infrastruktur des neuen Wilhelmshavener Tiefwasserhafens. Zusätzlich werden 89 Millionen Euro als Kredite aufgenommen, die später durch die Erlöse aus dem Hafenbetrieb getilgt werden sollen.

Marion Salot, Referentin für Struktur- und Regionalpolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen, stellte jetzt in Bremerhaven ihre Studie “Hafenkooperation als Zukunftsstrategie?“ vor, die sich mit den Auswirkungen des Jade-Weser-Ports auf die gebeutelte Seestadt befasst.

Schön gefärbt ist in dem 50-seitigen Werk kein Satz. Immer wieder weist die Verfasserin darauf hin, dass die höchst reale Gefahr besteht, dass Reeder Kapazitäten aus Bremerhaven nach Wilhelmshaven abziehen. Und zwar nicht nur, wie die Politik beruhigend einstreut, bei den großen Pötten. Auch bei kleineren Containerschiffen kann es in Bremerhaven zu Schwund kommen.

Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, so die strategische Überlegung niedersächsischer und Bremer Politiker, soll das deutsche Gegengewicht zum schon jetzt dominierenden niederländischen Hafen Rotterdam werden. Die deutschen Häfen werden von den Containerriesen der kommenden Generation nicht mehr angelaufen werden können. Sie haben so viel Tiefgang, dass sie, um immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel zu haben, auf die Gezeiten Rücksicht nehmen müssten – ein zu romantischer Aspekt im kostenintensiven, globalisierten Seetransportgeschäft. Rotterdams Fahrrinne ist hingegen rund um die Uhr tief genug für alle derzeit vorstellbaren Schiffsgrößen.

Hamburg sucht indessen sein Heil in der Elbvertiefung und hat die Arbeitsgemeinschaft Wilhelmshaven verlassen. Die CDU-Regierung der Hamburger Hanseaten mochte kein Geld für einen Hafen in die Hand nehmen, der möglicherweise dem eigenen Konkurrenz machen wird.

Eine Gefahr, die Wilhelmshaven auch für Bremerhaven bedeute, so Marion Salot. Bremerhaven büße durch den Wilhelmshavener Neubau einen bisherigen Standortvorteil ein: Anders als in Hamburg müssen die Pötte nicht erst durch einen Fluß in den Hafen gelotst oder geschleppt werden. Die Hamburger Elbpartie ist vielen Reedern unbequem.

Wilhelmshaven aber, so Referentin Salot, würde kein direkter Konkurrent Bremerhavens, wenn es gelänge, die Bremerhavener Kaje und hier insbesondere den Containerterminal IV, der 2007 fertig sein soll, bis zur Eröffnung des Jade-Weser-Ports 2010 auszulasten. „Dann werden die Kapazitäten in Wilhelmshaven tatsächlich eine ergänzende Funktion haben“, so Salot. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass sich beide Häfen gegenseitig Ladung abzögen. Es drohe ein Interessenkonflikt, weil zu erwarten sei, dass Niedersachsen auf eine schnelle Eröffnung Wilhelmshavens dränge, um frühstmöglich Impulse in die strukturschwache Region zu geben.

Ausführlich befasst sich Salot auch mit CT IV, der immer wieder in der Diskussion stand. Das Dilemma der Bremer Landespolitik beschreibt sie so: „Auch wenn die prognostizierten Arbeitsplatzeffekte mit Vorsicht zu genießen sind, bleibt dennoch festzuhalten, dass bei Unterlassen der Investition eine Gefährdung bestehender Arbeitsplätze nicht auszuschließen ist.“ Hoffnungen auf massive Arbeitsmarkteffekte nährt Salot nicht. Sie sieht die Gefahr, dass Bremerhaven als Hub-Hafen ende, also als Hafen, der lediglich umschlägt, aber keine hafenassoziierte Wirtschaft mehr anzieht. Wie wenig attraktiv Bremerhaven für hafennahe Unternehmen ist, zeigt die Erfolglosigkeit der Bremerhavener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (BIS) bei der Ansiedlung von Unternehmen auf dem Gelände der ehemaligen Carl-Schurz-Kaserne, in direkter Nachbarschaft zur Stromkaje: Die Wirtschaftsförderer verweisen auf Nachfrage zu den Zahlen auf das Bremer Institut für Wirtschaftsforschung (BAW) von Frank Haller. Dort habe man sich eingehend mit dem Thema befasst. Das ist richtig. Festgestellt wurde, dass die Bemühungen zur Ansiedlung solcher Untenehmen gesteigert werden müssten.