Mit Sicherheit wenig zahlen

Sicherheitsdienste unterbieten sich, um an öffentliche Aufträge zu kommen. Leidtragende sind die Wachschützer, deren Löhne sinken. Selbst konkurrenzgeplagte Firmen hoffen nun auf Tarifvertrag

„Der Auftraggeber diktiert heute die Preise“

von OTTO DIEDERICHS

Ob in Einkaufspassagen, im öffentlichen Nahverkehr oder vor öffentlichen Gebäuden: Private Sicherheitsleute sind im Stadtbild inzwischen nahezu überall präsent. Rund 320 private Sicherheitsdienste mit rund 10.000 Beschäftigten teilen sich in Berlin den Bewachungsmarkt. Die Berliner FDP-Fraktion will gar zur Entlastung der Polizei private Wachleute künftig auch im Objektschutz und bei der Bekämpfung der Alltags- und Straßenkriminalität einsetzen.

Sehr zur Freude des „Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsdienste“ (BDWS), denn obwohl die Branche ungebrochen boomt, gehen ihre Umsätze in Berlin schon seit Jahren zurück: von umgerechnet rund 200 Millionen Euro im Jahre 1992 auf gerade noch 150 Millionen 2001. Folglich herrscht im Gewerbe eine Wolfsmentalität, deren Leidtragende stets die bei den Sicherheitsanbietern Beschäftigten sind. Sie werden schlecht bezahlt, haben oft genug keinerlei Urlaubsansprüche und werden je nach Auftragslage „verkauft“ oder gleich entlassen.

Bis zum Fall der Mauer habe es in Berlin einen ruhigen, in sich geschlossenen Markt gegeben, sagt Walter Beck, Geschäftsführer der Berliner Niederlassung des schwedischen Branchenriesen Securitas. Dann jedoch hätten aus dem Umland zunehmend kleine und kleinste, von ehemaligen Stasi-, Volkspolizei- oder NVA-Angehörigen gegründete Unternehmen in die Stadt gedrängt. Inzwischen sei der Sicherheitsmarkt völlig unübersichtlich und längst „jenseits von gut und böse“.

Die Gründe für diese Entwicklung liegen laut Beck vor allem im Fehlen allgemein gültiger Tarifvereinbarungen sowie im rigorosen Preisdumping der öffentlichen Hand. Dabei werden öffentliche Auftraggeber auch in Berlin immer wichtiger. Bereits jetzt stellen sie rund zwei Drittel der Kundschaft. „Der Auftraggeber diktiert heute die Preise“, sagt Beck, und gerade bei der öffentlichen Hand sei die Preismoral äußerst gering. Bei öffentlichen Ausschreibungen könne die Securitas da – im Gegensatz zu kleineren und mittleren Unternehmen – nicht mithalten.

Der Trick, um unter solchen Bedingungen doch noch etwas zu verdienen: Erst wenn ein Bewachungsauftrag vorliegt, sagt Branchenkenner Beck, werde die dafür notwendige Zahl an Wachleuten über das Arbeitsamt eingestellt. Bei Langzeitarbeitslosen werde somit nicht nur die kurzzeitige Ausbildung, sondern auch noch ein Lohnkostenzuschuss gezahlt. Laufe die Förderung irgendwann wieder aus, werde der Beschäftigte entlassen und das Spiel beginne von vorn.

Doch auch fest angestellte und besser ausgebildete Wach- oder Werkschützer sind oft viel nicht besser dran. Verliert ein Sicherheitsdienst nämlich einen Auftrag an ein billigeres Unternehmen, so übernimmt dieses häufig auch gleich das gesamte bisherige Personal. Die Leidtragenden sind dabei jedes Mal die Sicherheitsleute, während ein häufiger Firmenwechsel für die Auftraggeber von Vorteil ist. Trotz des geringeren Preises, den sie nun für ihre Bewachung bezahlen, behalten sie das bisherige, mit den Arbeitsabläufen im Werk oder Gebäude bereits vertraute Sicherheitspersonal.

Der private Wachmann selbst allerdings verliert mit jedem „Umziehen“, wie der Vorgang im Branchenjargon heißt, einen Teil seines bisherigen Lohns. Spitzenverdiener wie etwa das Sicherheitspersonal auf dem Tegeler Flughafen können auf 13 Euro pro Stunde kommen, in der geringsten Sicherheitsstufe hingegen beginnt der Stundensatz für Wachleute bei 5 Euro. Aber selbst der wurde nach Angaben des BDWS bei der Bewachung des Reichstags noch einmal um 50 Cent gedrückt.

Um solchen Wildwuchs zu stoppen, sagt Securitas-Geschäftsführer Beck, bemühe sich der BDWS, dem auch die Securitas angehört, darum, mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di einen Flächentarifvertrag für Berlin/Brandenburg auszuhandeln. Ganz uneigennützig ist dies wohl kaum, denn dann werden viele der kleineren Unternehmen nicht mehr mithalten können. Securitas, der führende Anbieter von privater Sicherheit in Europa, sowie andere große Unternehmen werden weniger Probleme haben.