Unterschrift für Punktschrift

Senat will Pflegegesetz ändern und Blindengeld kürzen. Blinde und Sehbehinderte Menschen kritisieren „Abschied von sozialer Gerechtigkeit“ und protestieren mit Unterschriftenaktion

von SUSANNE LANG

Blinde und sehbehinderte Menschen wollen sich mit einer Unterschriftenaktion gegen die geplante Kürzung ihres Pflegegeldes wehren. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2004/05 plant der Senat das Berliner Gesetz über Pflegeleistungen zu ändern und die Leistungen zu kürzen.

Blinde und hochgradig Sehbehinderte würden nach den Vorschlägen des Senats zwischen 20 und 50 Prozent weniger Blindengeld erhalten. Laut Pflegegesetz soll das Blindengeld Mehrausgaben ausgleichen, die aufgrund der Behinderung anfallen, etwa für Haushaltsassistenten oder Übersetzungen in die Punktschrift Braille. In Berlin leben circa 5.000 Blinde und 17.000 hochgradig Sehbehinderte. Wie der Vorsitzende des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin (ABSV), Manfred Schmidt, ankündigte, „werden es die Blinden und Sehbehinderten nicht zulassen, dass sie kein eigenständiges Leben mehr führen können“. Daher will der Verein unter dem Motto „Weniger Blindengeld = weniger Chancengleichheit“ bis Mitte August Unterschriften sammeln. Bisher liegen nach Angaben von Volker Lenk, Sprecher des ABSV, bereits ein paar hundert Unterschriften vor. Schmidt wirft der Koalition aus SPD und PDS vor, sich mit den geplanten Kürzungen von ihrem „Leitbild der sozialen Gerechtigkeit zu verabschieden“.

Grundlage für Schmidts Kritik ist ein Passus in der Koalitionsvereinbarung 2001–2006. Dort hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, „gleiche Lebensbedingungen und gleichberechtigte Teilhabe der Berlinerinnen und Berliner an sozialen und gesellschaftlichen Ressourcen herzustellen“.

Die Sprecherin der Sozialsenatorin, Roswitha Steinbrenner, bestätigte zwar die Sparpläne. Den Vorwurf der fehlenden sozialen Gerechtigkeit wies sie jedoch entschieden zurück. „Unser Erfolg ist, dass das Pflegegeld überhaupt erhalten bleibt.“ In anderen Bundesländern seien die Zahlungen zum Teil weitaus geringer. „Die Alternative war, das Pflegegeld komplett abzuschaffen“, sagte Steinbrenner. Im Hinblick auf die Haushaltsnotlage wolle man die Solidarität anderer Länder wahren und müsse deshalb das Niveau der Zuwendungen angleichen. Dennoch betonte Steinbrenner, dass das Pflegegeld „ein sehr hohes Gut“ sei, das sich Berlin trotz der schlechten Haushaltslage leiste.

Das Pflege- und Blindengeld ist eine freiwillige Leistung der einzelnen Bundesländer. In Berlin umfasst das Pflegegeld im Unterschied zu anderen Ländern nicht nur Hilfen für Blinde, sondern auch für hochgradig Sehbehinderte und Gehörlose. Mit Ausnahme von Bayern war Berlin bisher zudem das einzige Land, das Minderjährigen genauso viel Unterstützung zukommen ließ wie Volljährigen. In einigen Ländern steht das Blindengeld grundsätzlich zur Disposition. So soll es in Bremen nach einem Beschluss der großen Koalition aus CDU und SPD ganz abgeschafft werden.