Gefragt hat ihn keiner mehr

Während Klaus Zwickel noch darüber nachdachte, ob er zurücktreten soll, verständigten sich seine Nachfolger auf ihre Machtübernahme

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

Da capo im Frankfurter Nobelhotel Arabella Sheraton: Noch einmal trat IG-Metall-Chef Klaus Zwickel vor die Presse, um dieser von den jüngsten Entwicklungen im nun schon fast einen Monat dauernden Führungsstreit der Gewerkschaft zu berichten. Doch diesmal wohl zum letzten Mal. Denn Klaus Zwickel gab „mit sofortiger Wirkung“ seinen Rücktritt bekannt. Damit reagierte der 64-Jährige wenige Wochen vor dem offiziellen Ende seiner zehnjährigen Amtszeit auf den Kampf um die künftige Politik der weltweit größten Industriegewerkschaft. Der Führungsstreit war nach der Niederlage der IG Metall im Arbeitskampf in den neuen Bundesländern ausgebrochen. Zwickel und andere Funktionäre und Betriebsräte hatten immer wieder öffentlich den Rücktritt des 2. Gewerkschaftsvorsitzenden Jürgen Peters gefordert.

Zwickel betonte gestern ausdrücklich, dass er mit seinem Schritt nicht etwa „die alleinige Verantwortung“ für das Desaster im Osten übernehmen wolle. Er ziehe vielmehr die Konsequenzen aus der Tatsache, dass der Vorstand nicht, wie von ihm gefordert, komplett zurücktrat oder einen völlig neuen Vorschlag für die Neuwahlen Ende August vorlegte. Er rechne damit, dass es bei der „Tandemlösung“ bleibe, für die sich das 41-köpfige Führungsgremium im April schon einmal entschieden hatte. Zwickel griff seinen als Traditionalisten geltenden Stellvertreter Jürgen Peters zum Abschied noch einmal heftig an: „Dieses Chaos habe ich nicht verursacht.“ Schuld seien diejenigen, die sich nach wie vor weigerten, „persönliche Konsequenzen aus einer schweren politischen Niederlage“ zu ziehen.

Peters reagierte prompt. Fünfzig Minuten später betrat er den Saal, bedauerte den Rücktritt Zwickels knapp, zollte ihm Respekt und erklärte: „Die Bewertung der Tarifbewegung Ost und die daraus abgeleiteten Vorwürfe teile ich nicht.“ Zur „Tandemlösung“ sage er vorerst nur, er habe seinen als Vize vorgeschlagener Widerpart, den als Reformer gehandelten Zwickel-Favoriten, den baden-württembergischen Bezirksleiter Bertold Huber, in den letzten Tagen mehrfach getroffen „um einen Ausweg aus der Krise zu suchen“. Gemeinsam werde man dem IGM-Vorstand nun am Mittwoch einen Vorschlag unterbreiten, der „wieder zur Befriedung der Organisation beiträgt“ und sie „wieder in ruhiges Fahrwasser“ führt.

Die beiden sollen sich, hieß es gestern, auf ebenjenen Personalvorschlag geeinigt haben, der ohnehin bereits beschlossene Sache war: auf sich selbst. Peters wird Vorsitzender, Huber Vize. Ein Patt, das die unterschiedlichen Fraktionen in der Arbeitnehmerorganisation repräsentieren soll – samt ihren Konflikten. Huber-Förderer Zwickel kommentierte dies nicht. Er habe an den Gesprächen nicht teilgenommen und seinen Rücktritt erst am Wochenende beschlossen. Er werde sein Büro in den nächsten Tagen „stubenrein machen“ und die Amtsgeschäfte Peters übergeben.

Der Werkzeugmacher Zwickel war bereits 1954 noch als Lehrling in Heilbronn in die IG Metall eingetreten. Fünf Jahre später wurde er dann auch Mitglied in der SPD. Zwickel kassierte Gewerkschaftsbeiträge, wurde Vertrauensmann und 1965 hauptamtlicher Organisationssekretär beim DGB-Kreis Heilbronn, Nebenstelle Neckarsulm. Er engagierte sich in den großen Arbeitskämpfen der Metaller in Baden-Württemberg und stieg schnell auf. Der pragmatische Zwickel profilierte sich als Tarifpolitiker, dem auch Gegner „hohen Realitätssinn“ bescheinigten. Er handelte Stufentarifverträge in den neuen Bundesländern aus, die nur kurz Bestand hatten. 1993 wurde er Nachfolger von Franz Steinkühler, der wegen umstrittener Aktiengeschäfte zurücktrat. Auch Zwickel geriet 2001 ins Zwielicht, als die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Ermittlungen wegen hoher Abfindungszahlungen an ehemalige Vorstandsmitglieder der Mannesmann AG aufnahm. Zwickel räumte ein, er habe sich der Stimme im Aufsichtsrat enthalten und damit „einen Fehler begangen“. Eine Anklage wegen Untreue wird derzeit noch geprüft. In seiner Abschiedsrede erklärte Zwickel gestern, die Gewerkschaft müsse neue Wege gehen: „Die IG Metall muss in der Wirklichkeit ankommen, nicht um sich anzupassen, sondern um sie wirksam beeinflussen und verändern zu können.“

Klaus Zwickel bedankte sich am Ende ausdrücklich bei Bundeskanzler Gerhard Schröder, der in der Zusammenarbeit „stets offen und fair“ gewesen sei. Zum anderen lobte er den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, „insbesondere für sein Engagement zur Sicherung des Flächentarifvertrags.“