Die polnische Regierung spielt jetzt in der Europaliga

Anders als sein Vorgänger Miller zeigt sich Premierminister Belka kompromissbereit. Doch die Opposition macht gegen die Verfassung mobil

WARSCHAU taz ■ Ein bisschen enttäuscht sind die Polen schon: „Es gibt eine Verfassung“, titelte wenig enthusiastisch die liberale Gazeta Wyborcza. Für den Geschmack der meisten Polen verliefen die Verhandlungen in Brüssel zu wenig dramatisch. Es gab keinen Streit, keine Beleidigungen, nicht einmal ein Stöhnen „Oh Gott, die Polen!“.

Marek Belka, der designierte Ministerpräsident Polens, machte in Brüssel ganz eine andere Figur als sein Vorgänger Leszek Miller vom Bündnis der Demokratischen Linken (SLD). Während Miller im Rollstuhl und mit Mediengetöse in den Kampf zog und den Verfassungsgipfel im Dezember scheitern ließ, gab sich Belka kompromissbereit.

Den Kommentatoren der Gazeta Wyborcza nötigte dies Respekt ab: „Marek Belka hat gezeigt, dass er ein Politiker aus echtem Schrot und Korn ist. In Brüssel errang er Siege und erlitt Niederlagen – wie andere am EU-Tisch ebenfalls.“ Anders als viele in Polen erwartet und dies auch Belka nahe gelegt hatten, sprach er das Non-possumus nicht aus. Im Gegenteil, er führte Polen aus der Vetosackgasse heraus: „Belka zeigte in Brüssel, wie man in der europäischen Liga spielt.“

Jedrzej Bieliecki von der konservativen Rzeczpospolita hält die Kompromisse, auf die sich Belka in Brüssel einließ, für so weit gehend, dass ihre Folgen noch gar nicht absehbar seien. „Polen wird es nun viel schwerer fallen, unter den EU-Staaten eine Blockadekoalition zur Verhinderung von EU-Entscheidungen zu bilden.“ Zudem habe Belka eine totale Niederlage beim Gottesbezug in der Präambel erlitten.

Die rechten Oppositionsparteien lehnen die EU-Verfassung einhellig ab, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Roman Giertych von der fundamentalkatholischen Liga der Polnischen Familien meinte im Privatsender RadioZet gar, dass der Ministerpräsident sich in Brüssel eines Staatsverbrechens schuldig gemacht habe, da er die Interessen Polens nicht vertrat. Die Liga wolle daher Belka vor den polnischen Staatsgerichtshof bringen. Auch Ludwig Dorn von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) findet, dass eine Verfassung ohne Gottesbezug nicht akzeptabel sei, da sie „ein fundamentales Interesse Polens“ verletze. Er hofft auf ein Nein der polnischen Gesellschaft im Verfassungsreferendum. Jan Rokita von der liberalen Staatsbürgerplattform (PO), der mit dem Schlagwort „Nizza oder der Tod“ Polen in die diplomatische Sackgasse getrieben hatte, hätte die Entscheidung über die Verfassung gerne noch ein bisschen auf die lange Bank geschoben. Auch Rokita vermutet, dass das Referendum negativ ausgehen wird. Umfragen zufolge ist aber die Mehrheit der Polen für die Verfassung. GABRIELE LESSER