Schröder: Linke sieht rot

SPD-Rebellen wollen im September eine eigene Partei für Bundestagswahlen 2006 gründen. Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine verlangt auf Saar-Parteitag politische Wende der Bundesregierung

BERLIN/BEXBACH taz ■ Die Gegner von Bundeskanzler Schröders Reformpolitik formieren sich inner- wie außerhalb der Sozialdemokratie. In Berlin trafen sich gestern 500 Mitglieder von Gewerkschaften, Parteien und sozialen Bewegungen. Sie streben eine eigene Parteigründung an, denn, so Gewerkschafter Detlef Hensche: „Auf Erneuerung innerhalb der SPD zu setzen ist eine schiere Illusion.“ Auf dem saarländischen SPD-Parteitag griff Oskar Lafontaine die Politik Schröders scharf an.

Im September wollen die SPD-Rebellen über die Bildung einer „wählbaren Alternative für die Bundestagswahlen 2006“ abstimmen, wie der aus der SPD ausgeschlossene bayerische Gewerkschaftler Thomas Händel ankündigte. Dazu werden sich die Protestbewegungen „Wahlalternative“ und „Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ am 3. Juli zu einem gemeinsamen Verein zusammenschließen. Das Bündnis versteht sich als Sammlungsbewegung „ehemaliger Sozialdemokraten, Enttäuschter von Grünen, PDS und engagierter Gewerkschafter“.

Im saarländischen Bexbach nutzte unterdessen der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine seinen Auftritt auf dem SPD-Landesparteitag zu einer Generalabrechnung mit dem Kurs der Bundespartei. Auch der SPD-Spitzenkandidat für die saarländischen Landtagswahlen am 5. September, Heiko Maas, verlangte eine Kursänderung in Berlin. „Mit einem Weiter-so wird es nicht besser werden“, sagte er.

Das erste Zusammentreffen zwischen SPD-Parteichef Franz Müntefering und seinem Vorvorgänger Oskar Lafontaine seit fünf Jahren beschränkte sich nicht nur auf einen kurzen Händedruck. In seiner Rede kritisierte Lafontaine die Reformpolitik der Bundesregierung scharf: Das Wort Reformen stehe im deutschen Kontext für Sozialabbau, ebenso die Agenda 2010. Wenn man den Sozialabbau aber will, dann soll man das sagen und nicht in Werbebotschaften stecken, sagte er. Unter starkem Applaus sagte Lafontaine: „Wenn die Wählerinnen und Wähler in einer Demokratie die Politik ablehnen und zurückweisen, dann muss man die Politik ändern, um wieder Vertrauen zu finden.“ Kanzler Schröder hatte nach dem SPD-Debakel bei der Europawahl betont, er könne keine andere Politik machen. Müntefering keilte zurück: „Wer nicht in der Lage ist, Kompromisse zu schließen mit dem, was möglich ist, der ist für die Politik nicht geeignet“, griff er Lafontaine an.

Die ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten warnten derweil in einem Brief an Schröder vor einer „Marginalisierung“ ihrer Partei „mit fatalen Auswirkungen für das Bundestagswahlergebnis 2006“ und verlangten eine Neuausrichtung der Politik der Bundesregierung zum Aufbau Ost. Der neue Juso-Chef Björn Böhning kritisierte: „Regierung und Parteiführung haben kein Konzept, wie sie das Ruder noch herumreißen können.“

KLH/ALE

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