Demokratische Affenbilder

Tausende Affen kleben in der Innenstadt an Laternen und Ampeln. Entworfen hat sie ein Kreuzberger Grafiker

Affen, Affen, Affen. Egal, wie man seinen Weg wählt, sie lachen einen aus jedem noch so versteckten Winkel dieser Stadt an.

Mit 15 mal 10 Zentimetern sind die Aufkleber nicht gerade klein. Das wirklich Spannende an den einfachen Outline-Grafiken der generell männlichen Tiere ist ihr bestes Stück. Völlig freizügig streckt es sich dem Entdecker entgegen, ganz nach dem Motto, „Seht her, was ich habe …!“ Ist das Kunst? Was steckt wirklich hinter der geheimen Mission? Für Profiler ergibt sich folgendes Täterbild: mindestens 1,80 Meter (die Dinger hängen verdammt hoch), schwul (die Affen sind pink) und links (Glatzen kleben anderen Mist). Falls es sich dennoch um eine Frau handelt, sollte man die Kleber als Warnung vor ihrem Kerl verstehen und ernst einstufen. Bei einer Straßenumfrage am Checkpoint Charly vermutet Caroline, 17, aus den Niederlanden, dass es sich um „ein großes psychologisches Experiment“ handele. So falsch liegt sie da gar nicht. Experimentell ist die Aktion auf jeden Fall. Gedruckt wurden die Sticker in Prag, gleich in Massen.

Satte 35.000 Stück kleben in Kreuzberg, Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg an Pfeilern, Ampeln, Laternen und Schilderrückseiten. Entworfen hat den namenlosen Uraffen der Designer Grisha Witt, einer der acht Gründer der Streetstyle-Agentur Kazik aus Kreuzberg.

Vor einem Jahr wagte die Clique aus acht jungen Grafikern den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie kämpfen unter anderem gegen den visuellen Terror herkömmlicher Werbefeldzüge. Dort sei man dem schlechten Geschmack einiger weniger ausgesetzt. Das Kleben hingegen sei viel demokratischer, argumentiert Witt. Die „Funky Monkeys“ sprengen die Reklamenormen. „Wir wollen dazu beitragen, wild zu kommunizieren.“

Frech, sexy und provokativ ist schon ein Affe allein. Zusammen ergeben sie ein Kunstwerk, das die Sprache der Straße als Medium benutzt und mit einem winzigen Budget auskommt. „In den Affen spiegeln wir uns wider, so wie wir uns in Berlin sehen. Immer in der Gruppe und überall zu Hause“, erklärt der Grafiker. „Wir sehen die Welt nicht ernst, das Tier zwinkert mit einem Auge. Jeder kann sich seinen Affen taufen, ihn interpretieren und mit Bedeutung aufladen.“

Verteilt und geklebt haben die Viecher gute Freunde der Designer, die nicht beim Namen genannt werden wollen. Das Projekt befindet sich in einer rechtlichen Grauzone. Die Kleber-Teams sind in einen regelrechten Rausch geraten. „Die waren voll im Flow. Damit es schneller ging, haben sie die Teile schon mal an ihre Klamotten geklebt und brauchten sie nur noch an Pfeiler zu klatschen“, redet sich Witt in Rage. Meist sind sie abends losgezogen. „Manchmal wurden sie angetextet da draußen: Ob das politisch wäre, oder so.“ Ältere Leute hätten gelacht und es lustig gefunden, Kids wollten Kleber haben und „ein Bulle hat verlangt, einen Sticker wieder abzumachen“. Dabei sei der aus der entgegengesetzten Richtung gekommen und habe sicher erst später das Klebeausmaß erkannt. Völlig genervt hat die Teams ein Typ mit Schnurrbart, manischem Blick und Spachtel bewaffnet, der die Affen wieder entfernte. Aber nur die in seiner Augenhöhe.

Stolz sind die Kazik-Jungs auf eine Kinderzeichnung, an einem Kreuzberger Haus. „Affe“ steht in Blockbuchstaben darüber. Und das Tier streckt den Mittelfinger. „Das macht Spaß“, freut sich Witt, „wenn nicht nur die Szene antwortet, wie durch rosa Häsinnen, die seit Kurzem auftauchen.“ CHRISTIN GRÜNFELD