Almosen, aber aus einer Hand

Die Großstädte im Revier wollen sich beim Arbeitslosengeld II mit den Arbeitsagenturen des Bundes arrangieren. Die Kreise wehren sich gegen die Bevormundung, wollen Hartz IV vor Gericht kippen

„Die eigentlich Leidtragenden von Hartz IV sind die Bezieher des neuen Arbeitslosengeldes“

VON NATALIE WIESMANN

Unter den Kommunen in NRW herrscht Streit darüber, wer in Zukunft die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen übernehmen darf. Die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II spaltet jetzt auch die Ruhr-Kommunen. Die Großstädte wollen sich arrangieren und mit den örtlichen Arbeitsagenturen des Bundes zusammenarbeiten. Die Kreise im Revier reagieren widerwillig auf die geplante Neustrukturierung, sie wollen die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen selbst übernehmen.

Ob sie das überhaupt dürfen, wird momentan im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verhandelt. Außerdem soll dort festgelegt werden, wie hoch die Kommunen vom Bund für die Unterbringung der Arbeitslosengeld- II-Bezieher entlastet werden. Experten geben einer Regelung, in der die Kommunen eigenverantwortlich für die Langzeitarbeitslosen zuständig sind, keine Chance. Am vergangenen Donnerstag wurden die Beratungen erfolglos abgebrochen und auf Ende Juni vertagt.

„Die Zeit drängt“, sagt Volker Bästlein, Pressesprecher des NRW-Städtetages, schließlich solle das Hartz IV-Gesetz am 1. Januar 2005 umgesetzt werden. Wenn die Städte finanziell entlastet würden, sei man bereit, sich mit den Arbeitsagenturen zusammenzuschließen. In Herne und Düsseldorf werde bereits ein entsprechendes Modellprojekt erprobt, Wuppertal stecke mitten in den Vorbereitungen für eine Arbeitsgemeinschaft mit den örtlichen Arbeitsagenturen. Thomas Lenz, Ressortleiter für Soziales bei der Wuppertaler Stadtverwaltung, hält das Modell für sinnvoll. „Wir können hier Kompetenzen zusammenführen“, sagt er, denn bei den Gemeinden wisse man häufig, wie mit arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern umzugehen sei, die Bundesagentur für Arbeit habe dagegen eher Erfahrung in der allgemeinen Arbeitsförderung. „Wir wollen da sein, wo die Menschen sind“, sagt Lenz, schließlich erhielten bei einer Arbeitsgemeinschaft die Bezieher von ALG II alles aus einer Hand.

Der Kreis Recklinghausen will sich auch arrangieren: „Wir wollen das Beste aus der chaotischen Situation machen“, sagt Ulrich Lammers, Leiter des Fachbereichs Arbeit, Soziales und Wohnen in Recklinghausen. Die meisten anderen Kreise in NRW können diese Haltung nicht verstehen: „Die Arbeitsgemeinschaften geben nur den Anschein, dass Bundesagentur und Sozialämter auf einer Ebene stehen“, sagt Eduard Großkämper, Pressesprecher im Kreis Kleve. In Wirklichkeit seien die Kreise weisungsgebunden. Dabei könnten die Sozialämter viele Aufgaben, die den Arbeitsagenturen zugeordnet würden, viel besser alleine bewältigen. „Wir haben die Kontakte zu Unternehmen“.

Weil das so genannte Optionsgesetz im Vermittlungsausschuß voraussichtlich scheitert, geht der Landkreistag NRW seit einer Woche seinen eigenen Weg. Er will eine Rahmenvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit, damit Sozialämter und örtliche Agenturen der Kreise in Eigenregie eine klare Aufgabenverteilung durchführen können. Parallel dazu versuche er über die ostwestfälischen Kreise Gütersloh, Höxter und Herford Hartz IV durch eine Verfassungsbeschwerde noch zu stoppen.

„Es ist klar, dass bei der Umsetzung Probleme auftauchen“, sagt Barbara Steffens, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. Aber die Kreise jammerten zu viel. „Die eigentlich Leidtragenden von Hartz IV sind die Bezieher des neuen Arbeitslosengeldes, die von viel weniger Geld leben müssen als früher.“ Deshalb sollten die Kommunen eher alles dafür tun, dass das Geld pünktlich ausgezahlt werden wird.