Arbeitsmarktpolitik fördert die Wirtschaft

Das Ruhrgebiet benötigt neben Wirtschaftspolitik auch aktive Beschäftigungspolitik für den Strukturwandel in der Region. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Instituts Arbeit, Bildung, Partizipation der Uni Bochum

DORTMUND taz ■ Für Eberhard Weber, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) östliches Westfalen, war der gestrige Tag ein Tag der Freude und Sorge zugleich. Weber durfte im Haus des DGB in Dortmund die Ergebnisse einer Studie vorstellen, die den Akteuren der Arbeitnehmer zumindest bescheinigte, einen wichtigen Beitrag zur regionalen Arbeitsmarktpolitik geleistet zu haben. Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass mit der Neuordnung der regionalen Arbeitsmarktstrukturen der Einfluss auf die Beschäftigungspolitik der Gewerkschaften in den Regionen immer kleiner zu werden droht.

Klaus Dörre, Leiter des der Bochumer Universität angeschlossenen Recklinghäuser Forschungsinstituts für Arbeit, Bildung, Partizipation (FIAB), hat mit Sozialwissenschaftlern innerhalb der letzten drei Jahre regionale Förderprogramme in den Region Chemnitz, Nürnberg und Dortmund untersucht. Sein Fazit fällt für die Selbsteinschätzung der Gewerkschaften positiv, für die zukünftige Standortpolitik in den Regionen negativ aus: „Weil die aktuelle Arbeitsmarktpolitik die soziale Dimension des Strukturwandels vernachlässigt, wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Industrieregionen geschwächt“, lautet Dörres Prognose.

Die Studie des FIAB wurde vom Land Nordrhein-Westfalen und der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung finanziert. Die drei Regionen wurden ausgewählt, weil in allen die Gewerkschaften eine Rolle spielten, sagt Dörre. Es sei versucht worden, die Möglichkeiten des Handelns industriepolitischer Netze zu beleuchten. Dazu seien insgesamt 163 Experteninterviews geführt worden. Neu sei es für Dörre gewesen, auch auf teilnehmende Beobachtung zu setzen. „Manchmal sind wir mit den Akteuren einfach nur mitgegangen“, sagt er.

Nur in Dortmund habe es in den letzten drei Jahren einen Konsens in Sachen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik gegeben. „In Chemnitz wurde einfach Geld aus zwei verschiedenen Töpfen verteilt, in Nürnberg ist Beschäftigungspolitik nur ein Ziel der Gewerkschaftsakteure gewesen“, sagt Dörre. Dass das mit der Kultur des Ruhrgebiets zusammenhängt, hat Dörre in Interviews mit Chefs aus der Region herausgehört: „Da stand Beschäftigungspolitik immer außer Frage.“

Ernüchternd allerdings die Auswirkungen regionaler Finanzmittel auf die Unternehmenspolitik großer Unternehmen. „Für die gibt es keine regionalen Standorte mehr, eher Deutschland oder Westeuropa.“ Durch Entlassungen würden schlicht Kostenprobleme gelöst.

Es gibt auch den kleinen Faktor Glück im Strukturwandel, hat das FIAB in seiner Studie festgestellt. Während in Dortmund der Wissenstransfer von Universität und Technologiezentrum in die regionale Wirtschaft funktioniere, hätten die Nürnberger mit ihrer Universität schlicht Pech: „Die haben für ihre Lehrstühle nicht die Industrie.“ Aber auch in Dortmund sind die Auswirkungen regionaler Steuerung von Standortpolitik mit Blick auf den Strukturwandel begrenzt. „Eine Ausstrahlung auf die tradierten Bereiche, die in Dortmund noch immer 80 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse umfassen, lässt sich jedoch kaum feststellen“, ist ein Ergebnis der Studie.

Ein Lob spricht Dörre den Transfergesellschaften und Beschäftigungsinitiativen aus. Die Untersuchung zeige, dass 50 Prozent der gering Qualifizierten darüber wieder einen Job gefunden hätten, zu 20 bis 40 Prozent unter den vorherigen Bezügen. „Das bedeutet, es geht besser als mit arbeitsmarktpolitischem Zwang“, sagt Dörre. ELMAR KOK