Patronen mitten im Müll

Als er zwangsgeräumt wurde, fand man bei einem 61-Jährigen eine Tasche voll Munition. Er hatte sie „auf‘m Schuttberg“ gefunden – und gesammelt, wie vieles andere. Gestern stand er vor Gericht

Bremen taz ■ „Das haben Sie wohl ein bisschen verbaselt“, sagte der Richter zum Angeklagten, der erst von der Polizei zuhause eingesammelt werden musste, damit sein Prozess beginnen konnte. Verbaselt traf es nicht so ganz – der Angeklagte war schlicht der Meinung, gänzlich zu Unrecht angeklagt zu sein. Es ging um Munition, die er zuhause gesammelt hatte. Nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hätte er das nicht tun dürfen. „Ich hab doch keine Kriegswaffen“, rief der 61-Jährige. Aber Munition, eine ganze Menge. „Zwei panzerbrechende Patronen, zwei Patronen Sprengbrandladung, zwei Übungspatronen 20 Millimeter, drei Patronen Leuchtspurmunition“, verlas die Staatsanwältin und noch vieles mehr. „Nee, nee, nee“, rief der Angeklagte dazwischen, „das hab ich gar nicht gehabt. Nur Leuchtspurmunition, die hab ich gefunden auf‘m Schuttberg. Keine panzerbrechenden Waffen. Hab ich gar nicht gehabt.“

Gefunden wurde die Munition, als die Wohnung des Angeklagten zwangsgeräumt wurde. „Die haben die Türen aufgebrochen, weil ich die Miete nicht bezahlt hab“, erklärte der Mann, „ich hab da 30 Jahre gewohnt. Im Dachstuhl.“ Eine Ein-Zimmer-Wohnung habe er mit fünf Kollegen im Oktober 2003 räumen müssen, erklärte ein Zeuge vom Räumungsunternehmen dem Richter. Hier fand er eine Aktentasche voll Munition. „Leuchtspurmunition!“, rief der Mann auf der Anklagebank, „keine panzerbrechenden Waffen!“

Ein Spezialist der Polizei sorgte für Aufklärung. Leuchtspurmunition leuchtet beim Verschießen. „Panzerbrechend“ heiße Munition dann, wenn sie so schwer sei, dass sie auch Panzer durchschlage. All diese Munition sei „handhabungssicher“: wenn sie nicht verschossen oder manipuliert wird, geht sie nicht hoch.

„Sehr voll“ sei die Wohnung gewesen, hatte zuvor der Ausräumer-Zeuge berichtet. Ob sich das als Messietum bezeichnen lassen könne, fragte ein Schöffe. Ob man Messie mit Sucht-Sammler übersetzen könne, fragte der Richter. Der Zeuge nickte. Der Angeklagte rief: „Das war Leuchtspurmunition. Von der Bundeswehr. Keine Kriegswaffen.“

Der Mann, arbeitslos, Sozialhilfeempfänger, ist nur deshalb nicht wohnunglos, weil er nach der Zwangsräumung bei seiner Mutter untergekommen war – es lasse sich doch fragen, „inwieweit er von der psychischen Seite überhaupt in der Lage ist, die Tragweite der Angelegenheit zur Kenntnis zu nehmen“, erklärte sein Verteidiger, der den Mann beim Prozess zum ersten Mal gesehen hatte. Er plädierte für Milde. Der Richter verurteilte den Mann zu 60 Tagessätzen zu acht Euro. „Man darf das einfach nicht besitzen“, erklärte er Richtung Anklagebank. „Ich nehme die Strafe überhaupt nicht an“, erklärte der Angeklagte und, zum sichtbaren Schrecken seines Verteidigers: „Ich geh‘ in Berufung.“ „Jaja, das ist eine andere Frage“, fuhr der Richter fort, „Sie können das in Raten zu je 25 Euro zahlen.“ Und: „Sie können jetzt nach Hause gehen.“ Da war der Verurteilte schon halb aus der Tür, über die Schulter rief er noch: „Schweinerei!“ sgi