Ohne Denkverbote

Kollektives Wundenlecken: Bremens SPD-Landeschef Carsten Sieling sucht Trost bei den Genossen in Berlin

Bremen/Berlin taz ■ Zum kollektiven Wundenlecken der Chef-Genossen nach dem Europawahl-Desaster hat sich der neu gewählte Bremer SPD-Landesvorsitzende Carsten Sieling gestern in Berlin aufgehalten. Sowohl im Parteivorstand, dem höchsten Entscheidungsorgan zwischen SPD-Bundesparteitagen, als auch im danach tagenden Parteirat machte Sieling auf die starken Verluste der Sozialdemokraten in Bremen aufmerksam. Vor allem das „große Wegbrechen zu den Nichtwählern“ habe er thematisiert, sagte Sieling der taz. Die SPD müsse wieder mehr „an der eigenen Identität arbeiten“ und ihre „Kernkompetenz in sozialer Gerechtigkeit“ herausstellen.

Der Bremer SPD-Chef machte mit Blick auf den Spagat der Partei zwischen dem Fortsetzen der Schröderschen Reformagenda und erforderlichen „Kurskorrekturen“ darauf aufmerksam, dass letztere „noch sehr allgemein“ klängen und deshalb „zugespitzt und präzisiert werden“ sollten. So müsse klargestellt werden, „wie Schieflagen bei der Steuerpolitik“ zu vermeiden seien. Was die „Hartz-Gesetzgebung“, also die Reformen in der Arbeitsmarktpolitik angehe, sprach sich Sieling dafür aus, „erst einmal eine vernünftige Wirkungsanalyse“ zu erarbeiten. Vieles müsse „noch einmal auf den Prüfstand“ gestellt werden. „Da darf es keine Denkverbote geben.“

Sieling beschrieb die Atmosphäre in den Spitzengremien der SPD als „sehr sachorientiert und problembewusst“. Allein: „Patentrezepte hatte da auch niemand.“ Dankenswert klar beantwortete der Bremer Ober-SPDler die Frage, ob die vergangene Woche publizierten Absurditäten über Bürgermeister Henning Scherf und dessen etwaige Eignung zum Bundeskanzler in Berlin Thema gewesen seien. Sieling: „Nein.“ jox