Und er bewegt sich doch nicht

SPD-Parteichef Franz Müntefering erklärt völlig überraschend, dass die SPD weiter regieren will. Kein Abweichen von Schröders Agenda 2010 geplant, doch Klärung der Unterschiede zur Union

BERLIN taz ■ Die Sozialdemokraten wollen im Laufe des nächsten halben bis ganzen Jahres eines deutlich machen: „Die SPD wird gebraucht.“ Dies erklärte Parteichef Franz Müntefering gestern Nachmittag während einer Sitzung des Parteirats. Die Partei sei trotz der jüngsten Wahlschlappe keineswegs am Ende: „Die SPD will regieren, auch nach 2006“, so Müntefering.

Dazu gelte es, vier „Themen zu setzen“: Bildung und Ausbildung, Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, Altern der Gesellschaft und Föderalismus. Anders gesagt: Die SPD hat nicht die geringste Absicht, von irgendeinem Punkt der „Agenda 2010“ abzuweichen. Auf einen entsprechenden Antrag der DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer seien im Parteirat „keine unmittelbaren Reaktionen“ gekommen, erklärte Müntefering. Die Gewerkschaften drängen vor allem auf eine Abschwächung der Härten in der Arbeitsmarktreform.

Müntefering wies gestern alle derartigen Ansinnen von sich. Die zum 1. 1. 2005 geplante Einführung von „Hartz IV“ werde nicht verschoben – jedenfalls so weit der Verlauf der Vorbereitungen dies erlaube. Es hakt gegenwärtig jedoch erstens in der Abstimmung mit den Kommunen und der CDU, zweitens auch in der Datenerfassung. Überdies hat sich herausgestellt, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht etwa Geld spart, sondern eher kostet.

Dies ist bei der SPD angekommen. Müntefering erklärte gestern: „Hartz IV hat nicht das Ziel, Geld zu sparen“, sondern Langzeitarbeitslose „in den Arbeitsmarkt zu vermitteln“. Welche Arbeit er meint, sagte er auch: Es gebe vor allem in den Kommunen viel zu tun, er denke da an „Schlaglöcher, Dächer, Kanäle“.

Gleichzeitig will die SPD dafür sorgen, dass die Unterschiede zur Union deutlicher werden. CDU und FDP setzten auf Individualisierung und Privatisierung von Lebensrisiken, sagte Müntefering. Die von der CDU-Chefin geplante „Kopfpauschale“ zur Finanzierung des Gesundheitswesens werde der SPD noch genügend Spielraum geben, eigene Vorstellungen von „sozialem Fortschritt“ herzuzeigen.

Damit spielte er auf die Pläne von Rot-Grün zur Einführung einer Bürgerversicherung an. In diesem System zur Finanzierung des Gesundheitswesens müssten auch Beamte und Gutverdiener einzahlen. Beiträge würden auch von Miet- und Zinseinkünften abgezogen. Konkretes dazu, wann die SPD welches Modell dieser Sanierung des Gesundheitssystems präsentieren wolle, sagte er freilich nicht. „Eckpunkte“ würden im Herbst erwartet.

UWI

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