Mit offenem Visier gegen den DGB

RuhrTriennale-Intendant Gerard Mortier greift den Deutschen Gewerkschaftsbund an. Er glaubt, dass die Arbeitnehmervertreter die Ruhrfestspiele in Zukunft nicht mehr finanzieren wollen. DGB solle jetzt Farbe bekennen

Düsseldorf taz ■ „Die Kleinbürgerlichkeit im Deutschen Gewerkschaftsbund verhindere eine Neuorientierung der Ruhrfestspiele in Recklinghausen“, sagt Gerard Mortier. Die Vorstellungswelt der Gewerkschafter sei eine Ursache für den Besucherschwund auf dem Festspielhügel, wo in diesem Jahr nur 32 Prozent der Karten verkauft wurden, sagt der Intendant der erfolgreichen RuhrTriennale. Nach Frank Castorf, dem neuen künstlerischen Leiter der Ruhrfestspiele, hat damit auch Mortier die Arbeitnehmervertreter als Feindbild ausgemacht: „Das ist hier kein Kriegsschauplatz, aber nun muss mit offenem Visier gekämpft werden.“ Mortier glaubt, dass sich der DGB aus dem 1,1 Millionen Euro-Engagement bei den Festspielen zurück ziehen wolle. „Wenn der DGB das nicht mehr unterstützen will, dann soll er das öffentlich sagen.“

Doch der Bundesvorstand des DGB in Berlin ziert sich noch. „Da muss was unternommen werden“, sagt Jochen Laux, der Aufsichtsratsbeauftragte der Ruhrfestspiele, sonst sei das Theaterfest wirtschaftlich ruiniert. Auch eine Ablösung des gerade erst installierten Berliner Volksbühne-Chefs mochte er nicht ausschließen. Gut gemeint sei eben nicht unbedingt gekonnt, bemängelt DGBler Laux die Fähigkeiten Castorfs als Intendant. „Wir haben keine Volksbühnenfiliale gewollt“, auch Festspiel-Aufsichtsratsvorsitzende und DGB-Bundesvorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock macht aus ihrem Unmut keinen Hehl.

Frank Castorf wartet immer noch auf eine Zahlung von rund 90.000 Euro von den Gewerkschaftern. „Die haben sich geweigert zu bezahlen und sogar einen Rechtsanwalt eingeschaltet“, wettert Gerard Mortier weiter, er stehe persönlich völlig zu Castorf. Der deutliche Schnitt in Recklinghausen musste sein. Aber der DGB habe schon früh administrativ gegen gerudert, Mortier erinnert sich an zahlreiche konspirative Treffen auf dem Düsseldorfer Flughafen. Schon damals habe er das Gefühl gehabt, die Gewerkschafter hätten nach einem Austrittsweg gesucht.

Die Berliner Gewerkschaftszentrale will nun erst einmal prüfen und hat eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumt. „Wir geben hier ja keine Steuergelder aus, sondern Mitgliedsbeiträge“, sagt Jochen Laux. Auf die 90.000 Euro habe Castorf keinen rechtlichen Anspruch, das seien Durchführungskosten zur Vorbereitung der Ruhrfestspiele gewesen. Der DGB habe dem Intendanten eine Summe angeboten, die der aber abgelehnt habe. „Wir haben die Verantwortung, dass die Ruhrfestspiele nicht in den Ruin geführt werden“, sagt Laux. Durch die geringen Kartenverkäufe seien 600.000 Euro weniger in der Kasse, als vorhergesagt und deshalb sei das Castorf-Modell vielleicht nicht tragfähig.

„Das ist ein schreckliches Signal“, kommentiert Jürgen Flimm, der nächste RuhrTriennale-Intendant die Vorgänge. Er will den Weg mit Castorf weitergehen, hält die schlechten Zahlen für normal bei einem derartigen Paradigmenwechsel. „Jetzt kann man inhaltlich nicht wieder zurückrudern“, sagt er. Castorf sei eben ein „Revolutionär der Bühne“. PETER ORTMANN