Begehbare Skulptur geht auf Wanderschaft

Das russische Blockhaus vor der Simultanhalle in Köln-Volkhoven wird bei der Georg-Simon-Ohm-Schule auf der anderen Rheinseite eine neue Heimat finden. Dort soll es als Unterrichtsraum und kultureller Veranstaltungsort dienen

KÖLN taz ■ Der Künstler leiht der Stadt ein Kunstwerk – und nimmt es nicht mehr zurück. Derlei ist kölsche Tradition: Das Flügelauto auf dem Stadtmuseum, die Weltkugel, die heute auf dem DEVK-Haus steht, der Sonnenvogel am Rheinufer wurden so zum umstrittenen „festen Inventar“ von Köln. Das russische Blockhaus vor der Simultanhalle in Volkhoven, der in den 80er Jahren als „Testhaus“ für die Fassadenverkleidung des im Bau befindlichen Museums Ludwig erbauten Halle im Kölner Norden, drohte ein ähnliches Danaergeschenk zu werden. Doch hier zeichnet sich eine Lösung ab: Im Sommer wird es abgebaut und vor der Georg-Simon-Ohm-Schule in Humboldt-Gremberg im Rechtsrheinischen wieder aufgebaut.

Der lange Zeit in Köln lebende Russe Igor Sacharow-Ross hatte das Haus im Jahr 2000 errichtet. Zuvor stand es als Gemeinschaftshaus einer animistischen Gemeinde im Ural in Udmurtien, einer autonomen Republik in der Russischen Föderation. Der Künstler wollte so in Köln zwei Kulturen, zwei Religionen in Kontakt miteinander bringen. Außerdem reizte ihn der ästhetische Gegensatz zwischen dem massiven Holzbau und der trotz ihrer Größe eher zierlich wirkenden Simultanhalle, der Gegensatz zwischen archaischem, naturnahen Handwerk und moderner Bautechnik.

Auf sechs Lkws kamen die jahrhundertealten Stämme für das Haus mit einer Grundfläche von 9 mal 9 Metern und einer Firsthöhe von 12 Metern nach Deutschland. Der russische Zoll verlangte bei der Ausfuhr für das Holz zunächst 30.000 Euro. Erst der Einspruch des vom Künstler zu Hilfe gerufenen Evangelischen Stadtkirchenverbands Köln, es handele sich um Kunst, brachte diese Forderung zu Fall. „Seitdem sind wir dafür verantwortlich“, sagt der evangelische Kunstbeauftragte Erich Witschke, der nun endlich einen „passenden“ Nutzer gefunden hat.

Witschke bezieht das nicht nur auf den kunstästhetischen Teil, die Konfrontation des Blockhauses mit der 1999 entstandenen Schule, einer modernen, kubischen Betonarchitektur des Kölner Architekten Michael Bohm. Er interpretiert das Haus als „begehbare soziale Skulptur im Sinne von Joseph Beuys“ und hofft, dass es ein vielgenutzter Veranstaltungsort „für Kunst und Religion“ wird.

Gleiches denkt auch Schuldirektor Helmut Raabe, der in dem „fensterlosen Raum, der ohne Tische und Stühle bleiben wird, neue Unterrichtskonzepte ausprobieren“ will. Wichtiger sei aber die Nutzung für kulturelle Veranstaltungen, was auch die Bezirksverwaltung unterstütze. Raabe denkt vor allem an Projekte im Rahmen der deutsch-russischen Beziehungen. Raabe könnte sich zum Beispiel eine Kooperation mit Deutschlands östlicher Universität in Izhevsk vorstellen, vielleicht sogar eine Städtepartnerschaft Kalk-Izhevsk. Schließlich habe die russische Universität einen ähnlichen Schwerpunkt wie seine Schule. Im Sozialismus sei sie das – von Außenkontakten abgeschnittene – „russische Silicon Valley“ gewesen. Außerdem sei Izhevsk die Heimat von Igor Sacharow-Ross, womit dessen Ziel, die Völkerverständigung, über das Blockhaus, endlich erreicht sei. Nicht ganz, meint allerdings Witschke. Für ihn ist die Kunstaktion erst abgeschlossen, wenn im Ural im Austausch ein Fachwerkhaus aus dem Bergischen steht.

Jürgen Schön