Sozialisten wünschen sich fairen Kredit

Mit Gebrauchtmöbeln auf offener Straße protestiert die Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK) gegen die drohende Räumung eines ihrer beiden Häuser am Salierring. Noch hofft der Verein auf eine Einigung mit dem Besitzer sowie auf einen Geldgeber

Von JÜRGEN SCHÖN

Kühlschrank: 25 Euro. Gasherd: 40 Euro. Polstergarnitur: 80 Euro. Wasserkessel: 2 Euro. „Die Preise sind verhandelbar“, sagt Johannes und guckt besorgt zum Himmel, an dem schwarze Regenwolken aufziehen. Gestern hatte der Verein „Sozialistische Selbsthilfe Köln“ (SSK) seinen Gebrauchtmöbelladen vor seine beiden Häuser am Salierring auf den Bürgersteig verlegt: Protest gegen eine drohende Räumung. Der Hausbesitzer hat einen entsprechenden Prozess für das Haus Nr. 41 vor dem Kölner Landgericht gewonnen, am 30. September läuft die Frist ab. 40 Frauen, Männer und Kinder sehen ihre Existenz gefährdet und hoffen auf eine Lösung.

Ärger um Nr. 41 ist für den SSK nichts Neues, doch so auf der Kippe stand es noch nie. 1969 war das damals leer stehende Haus besetzt worden. Pädagogik- und Psychologiestudenten wollten es als Heim für Trebegänger nutzen. Es gehörte ebenso wie das danach besetzte Haus Nr. 37, in dem sich heute der Trödelladen befindet, einer Baugesellschaft, die bald Pleite ging. Bald kaufte der grüne Politiker Rolf Stärk beide Häuser und überließ sie dem SSK unbefristet für eine geringe Miete. In den 80er Jahren verkaufte er sie an seinen Geschäftspartner Heiner Jachertz.

Jachertz versuchte zunächst, die Miete zu erhöhen, scheiterte damit aber in allen Instanzen. Schließlich kündigte er dem SSK, weil er das Haus 41 nicht „angemessen verwerten“ könne. Hier ging er bis vors Bundesverfassungsgerichts. Dort bekam er in so weit Recht, als der Fall ans Landgericht Köln zurück verwiesen wurde. Dieses entsprach nun seiner Räumungsklage. Jachertz reagierte prompt und schickte schon einmal eine Mietnachforderung ab 2001 über insgesamt fast 80.000 Euro.

Doch der SSK hat kein Geld. „Wir haben uns auf den alten Mietvertrag verlassen“, sagt Thomas. Der 31-Jährige wohnt seit vier Jahren im SSK, schätzt es, dass „man hier im Kollektiv leben und arbeiten kann“. Arbeiten: Das heißt ein selbst verwalteter Möbelladen, Umzüge, Entrümpelungen und in Kooperation Siebdruck und Recycling. Die soziale Arbeit mit Trebegängern gibt es nicht mehr, dafür finden hier jetzt „alle sozial Ausgegrenzten“ Hilfe, erklärt Sabine, von Beruf „SSKlerin“. Reich werden kann dabei keiner – zumal auch Geld für die Instandhaltung der beiden Häuser gebraucht wird, wie es der alte Mietvertrag vorsieht.

„Kapitalismus pur“ nennt SSK-Anwalt Heinrich Comes die Begründung des Urteils, das das Landgericht Köln am 2. Juni verkündet hat. „Es ist ein Skandal, dass jemand ein Haus in einer Zwangsversteigerung sehr billig erwirbt, weil Leute darin wohnen, und er dann – um sein Kapital erheblich zu vermehren – eben diese Leute rausschmeißen darf.“ Eine Revision ist nicht zugelassen.

Wie es weitergehen soll, weiß auch Comes nicht. Eine außergerichtliche Einigung, die der Richter vorgeschlagen hatte, war gescheitert. Der Richter hatte den Wert beider Häuser auf rund eine halbe Million Euro geschätzt, wollte aber auch den bisherigen Einsatz des SSK und den niedrigen Kaufpreis des jetzigen Eigentümers berücksichtigt wissen. „Wir haben deutlich mehr geboten, als seinerzeit für die Häuser bezahlt wurde“, sagt Thomas und Comes ist überzeugt: „Der Prozessgegner wollte nicht wirklich verhandeln.“

Inzwischen allerdings gibt es eine neue Verhandlungsrunde, es geht um Kaufen oder Mieten. „Wir hoffen auf einen Kreditgeber, der weiß, dass wir nur langsam und in kleinen Raten zurückzahlen können“, gibt sich SSKler Georg vorsichtig optimistisch. Jachertz selber will sich zum Thema nicht äußern: „Zu laufenden Verhandlungen sage ich nichts.“

Für Ossi Helling, den sozialpolitischen Sprecher der Kölner Grünen, wäre die Schließung des SSK infolge des Rechtsstreits eine „äußerst ungewünschte Konsequenz“. Er lobt die Arbeit der Selbsthilfeorganisation als „kreativen Umgang mit Menschen, die mit dem traditionellen Instrumentarium nicht mehr zu erreichen sind“. Vorbildlich sei der Verein vor allem deswegen, weil er „unabhängig von staatlichen Mitteln“ arbeite. Direkte Eingriffsmöglichkeiten der Stadt und der Politik sieht er in diesem Fall allerdings nicht.