Wahrlich kein kurzer Prozess

Urteilsverkündung im Diebstahlsprozess gegen Mediziner des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes am kommenden Dienstag. Der Verteidiger forderte gestern, in dubio pro reo, Freispruch. Der Staatsanwalt will 90 Tagessätze

bremen taz ■ Egal wie das Strafverfahren wegen Diebstahls am kommenden Dienstag ausgeht – von einem kurzen Prozess kann niemand sprechen. In dem Verfahren um knapp 1.000 Euro, die in der Wohnung einer Toten in die Tasche des Mediziners des ärztlichen Beweissicherungsdienstes gelangten, kam es am gestrigen dritten Prozesstag aber immerhin zu den Plädoyers. „Ich bin unschuldig“, beteuerte der 55-jährige Angeklagte erneut.

Der Staatsanwalt hielt sich gestern an die Fakten: „Eine Tasche wurde plötzlich leer. Der Inhalt tauchte später in der Arzttasche wieder auf.“ Außerdem eine schwarze Geldbörse und ein Adressbuch der Toten. Beides lieferte der Mediziner auf dem Revier ab. Dort hatte zuvor eine Durchsuchung der Arzttasche das von der Polizei in der Wohnung registrierte Geld zutage gefördert.

Fünf Minuten sei der Angeklagte alleine im Zimmer der Verstorbenen gewesen – „Gelegenheit macht Diebe“, schloss der Staatsanwalt. An eine Kette von merkwürdigen und ungewöhnlichen Zufällen könne er nicht glauben. Nach anfänglichen Zweifeln sei er jetzt vielmehr überzeugt, dass der Beschuldigte die Gegenstände selbst eingesteckt habe. Angesichts der besonderen Vertrauensstellung, die der Mediziner bislang genoss – er führte im Auftrag der Stadt die Leichenschau durch –, forderte der Ankläger eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Der beschuldigte Arzt lebt zurzeit vom Arbeitsamt, nachdem die Polizei dem Chef des Rechtsmedizinischen Instituts als dessen Arbeitgeber mitteilte, man wolle den Verdächtigen vorerst nicht im Dienst sehen. Für den Mann geht es um seine berufliche Existenz. Darauf fußte gestern das Plädoyer des Verteidigers.

Es könne doch niemand glauben, dass der erst vor 13 Jahren aus Kasachstan eingewanderte Arzt für knapp 1.000 Euro alles, was er in Jahren geschaffen habe, aufs Spiel setze. „Gelegenheit macht Diebe“, wandte sich der Verteidiger rhetorisch dem Ankläger zu – „dagegen würden Sie und ich uns verwahren.“ Dann führte er rund 40 Minuten lang aus, wie zweimal Wäschestöße im Durcheinander der Wohnung so umgekippt sein könnten, dass das Geld von oben unbemerkt aus einem schwarzen Beutelchen heraus in die Tasche des Arztes geriet. Alle 22 Scheine ordentlich in der an zwei Seiten offenen Klarsichthülle. Nicht auszuschließen sei zudem, so der Verteidiger, dass dabei auch die schwarze Geldbörse in die Arzttasche gerutscht war. Die sei womöglich ja im Beutelchen gewesen – bevor die Polizisten die Scheine dazu steckten. ede