Erbitterter Streit um ein altes Zitat

Geplante Ausstellung über die RAF löst bei Hinterbliebenen der Opfer Protest aus. Die Schau würde den Terrorismus „glorifizieren“ und dürfte nicht mit Bundesmitteln unterstützt werden. Ausstellungsmacher fühlen sich missverstanden

von ROLF LAUTENSCHLÄGER
und STEFAN REINECKE

Politische Kunst, zumal wenn sie den Terrorismus reflektiert, gilt noch immer als zwiespältig. Das mussten auch die Berliner Kunstwerke (KW) erfahren, die eine Ausstellung über die Geschichte der Rote Armee Fraktion (RAF) planen.

Anstoß ist diesmal ein Zitat, das die Hinterbliebenen von RAF-Opfern empört. Wie Bild berichtete, haben sie sich schriflich bei Bundeskanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily (beide SPD) sowie bei CDU-Chefin Angela Merkel beschwert, dass die Ausstellung der Frage nachgehen wolle, „welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit gehalten und können nicht als naiv abgetan werden?“. Diese Formulierungen seien für die Betroffenen „unbegreiflich“, außerdem dürfe einem „solchen Konzept“ nicht noch durch staatliche Subventionen „Vorschub geleistet werden“. Sie verlangten, dass die Unterstützung durch den Hauptstadtkulturfonds mit 100.000 Euro zurückgezogen wird. Zugleich bemängeln die Angehörigen aber auch generell das ihrer Meinung nach „glorifizierende Konzept der Ausstellung“. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Hergard Rohwedder, Witwe des 1991 erschossenen Treuhandanstalt-Vorstands Detlev Rohwedder, und Hinterbliebene des 1977 ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.

Aus Sicht der Ausstellungsmacher ist das Zitat zwar richtig wiedergegeben. Es entstamme jedoch einem „frühen Entwurf von vor über einem Jahr“, sagte Beate Barner, KW-Geschäftsführerin, der taz. Damals seien erste Fragen und Ziele der Ausstellung umrissen worden. Dieser Entwurf sei nun „längst überholt“. Die Schau wolle sich gerade „gegen eine Legendenbildung“ verwahren, sie sei „weitab von jeder Glorifizierung oder Affirmation“. Man beschäftige sich in der künstlerischen Reflexion mit der Entstehung, den Taten und den Opfern der RAF gleichermaßen.

Für Barner ist der Vorwurf, man würde eine terroristische und kriminelle Vereinigung verharmlosen und museal inszenieren, unbegründet, das zeige schon die Entstehungsgeschichte der Ausstellung: „Sie ist aus dem Bedürfnis entstanden, den oberflächlichen und ahistorischen popkulturellen Verarbeitungen der letzten Jahre eine ernsthafte Auseinandersetzung entgegenzustellen.“ Auch Wolfgang Kraushaar, Mitarbeiter am Hamburger Reemtsma-Institut und zuständig für den historischen Teil der Ausstellung, erklärte gegenüber der taz, dass die Überlegung, wie man die Opfer in der Ausstellung repräsentiert, stets Teil der konzeptionellen Überlegung war. Angestrebt sei etwa, die Arbeiten von Hans Peter Feldmann „Die Toten“ zu zeigen. Feldmann präsentiert Fotos von allen Toten, die im Zusammenhang mit dem Terrorismus umkamen – von unbeteiligten Opfern der Polizei, von den RAF-Terroristen, die sich in Stammheim umbrachten, und den Opfern der RAF-Anschläge. Kraushaar: „Es ist paradox, den Ausstellungsmachern zu unterstellen, dass hier der Legendenbildung und Glorifizierung der RAF Vorschub geleistet werden soll. Das Gegenteil ist der Fall.“ Es gehe vielmehr darum, die Entmythisierung und Historisierung der RAF voranzutreiben.

Während sich die Hinterbliebenen der Opfer in der Rolle der Kritiker und moralischen Zensoren sehen, gibt es weder für die Kuratoren des Hauptstadtkulturfonds noch für die KW einen Anlass, Konzept oder Geld zurückzuziehen. Im Gegenteil. Die Ausstellungsmacher nehmen ihr RAF-Geschichts-Projekt noch ernster. Schon vor einigen Wochen wurde der Beirat in Kenntnis gesetzt, dass die Eröffnung auf Herbst 2004 verschoben werden soll. Ursprünglich war der Start noch in diesem Jahr vorgesehen. Die Vorbereitung benötige mehr Zeit – auch wegen einer „sorgfältigen Arbeit“.

meinung und diskussion SEITE 12