WARTEN AUF DEN BUS, DENKEN AN DEN MENSCHENRETTER

Er hat mit Mafiosi, Schmugglern und Dieben zwielichtige Geschäfte gemacht, er hat Menschen geschleust, Urkunden fälschen lassen und gelogen, was das Zeug hielt – und hat so über 1.500 Menschen das Leben gerettet, unter ihnen Kultur- und Geistesgrößen wie Heinrich und Golo Mann, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel und seine Frau Alma, Max Ernst, Marc Chagall und Hannah Arendt: Der US-Amerikaner Varian Fry rettete Intellektuellen das Leben, die auf der Todesliste der Nazis standen. Vom Sommer 1940 an half der frühere Journalist von Marseille aus 13 Monate lang Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland, ins sichere Exil zu kommen. Im Auftrag des „Emergency Rescue Committee“, einer US-Organisation, die der bereits emigrierte Thomas Mann unterstützte, versorgte Fry im besetzten Frankreich Intellektuelle, Künstler, Dichter und Publizisten mit falschen Papieren und Geld. Er half ihnen bei der Flucht per Schiff oder über Pyrenäen-Schleichwege und durch Spanien ins rettende Lissabon. Von der Vichy-Regierung wurde er schließlich ausgewiesen. Zu Lebzeiten wurde Fry kaum geehrt, er schlug sich mit kleineren Jobs durch, am Ende seines Lebens war er Lateinlehrer – studiert hatte er in Harvard. Dank von den Geretteten erhielt er selten. Fry starb 1967 mit 59 Jahren. Vor acht Jahren erhielt er die höchste Auszeichnung des Staates Israel. Als „Gerechter unter den Völkern“ wurde ihm zu Ehren ein Olivenbaum in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem gepflanzt. Seit gestern gibt es nun auch jeweils eine Gedenktafel in Erinnerung an den Menschenretter an den Bushaltestellen der Station „Varian-Fry-Straße“ an der Potsdamer Straße vor dem Sony-Center. Die Initiative für den neuen Gedenkorte ging vom American Jewish Committee, der Wall AG und dem ehemaligen Daimler-Chef Edzard Reuter aus. Der Künstler Ronnie Golz gestaltete die Tafeln. Vielleicht denken nun ein paar Menschen an den „Gerechten“, wenn sie auf den Bus warten. GES FOTO: KARSTEN THIELKER