Streit über einen Preis

Hilde Schramm soll den Moses-Mendelssohn-Preis dieses Jahres erhalten – aber nicht in einer Synagoge

Der vom Land Berlin vergebene „Moses-Mendelssohn-Preis“ dieses Jahres hat zu einem unschönen Gerangel zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Preisgericht um die designierte Preisträgerin geführt: Der Preis zu Ehren des jüdischen Aufklärers soll dieses Jahr an das frühere Mitglied des Abgeordnetenhauses, Hilde Schramm (Grüne), gehen. Anders als in den vergangenen Jahren sollte nach der Vorstellung der Jury die Auszeichnung dieses Mal in der Synagoge Rykestraße vergeben werden, anlässlich der Eröffnung der Jüdischen Kulturtage Anfang September. Dagegen hat nun der Vorsitzende der Gemeinde, Albert Meyer, in einem öffentlich gewordenen Brief an das Preisgericht protestiert.

In dem Schreiben, das der taz vorliegt, argumentiert Meyer mit dem familiären Hintergrund Hilde Schramms, deren Vater der Hitler-Architekt und NS-Rüstungsminister Albert Speer war. Der Gemeindechef verweist darauf, dass Mitglieder seiner Gemeinde ehemalige Zwangsarbeiter sind, Speer aber „an dem Tod hunderttausender Zwangsarbeiter schuld ist“. Meyer betont, er habe Respekt vor der Preisträgerin, „die ganz sicher ein schweres persönliches Schicksal hatte und unermüdlich zur Versöhnung und zum Ausgleich beigetragen hat“. Dass sie aber ausgewählt worden sei, „weil sie eben die Tochter von Albert Speer ist“ und „positive Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat“, mache die Entscheidung der Jury zusammen mit Ort und Zeitpunkt der Ehrung zu einem „unnötigen Affront“. Zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort hätte er nichts gegen die Ehrung Hilde Schramms einzuwenden.

Die Preisträgerin in spe engagiert sich seit Jahren für ehemalige NS-Zwangsarbeiter und die Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. Hilde Schramm sagte der taz in einer ersten Reaktion, sie sei „überhaupt nicht“ verärgert über den Protest der Jüdischen Gemeinde. Sie könne verstehen, wenn ihre Nominierung zu Emotionen und auch Ablehnung führe. Beschädigt fühle sie sich dadurch nicht – „und das wäre auch egal“. Erst gestern Morgen habe sie von dem Gerangel um ihre Person gehört, sagte die 68-jährige Rentnerin. Sie freue sich über den Preis und wolle ihn gern auf dem Gendarmenmarkt entgegennehmen.

PHILIPP GESSLER