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: Verletzter Stolz

„Osama bin Laden“, 0.00 Uhr, ARD

Eines von 50 Kindern, die sein Vater zeugte, Spross einer Bauimperiumsdynastie aus Saudi-Arabien, für das Leben gewappnet mit einer exzellenten, westlich orientierten Bildung, zugleich aber kein Mitglied des tonangebenden Adels in seinem Land. Ein Aufsteiger, der nicht aus goldenen Wasserhähnen zu trinken lernte: Das ist die Vorgeschichte jenes Mannes, der für eine Fülle von Terroranschlägen verantwortlich ist, der Kopf, der Inspirator, der Erfinder jener Kadertruppe, die sich al-Quaida nennt – die Basis des Kampfes, zunächst, gegen die sowjetischen Afghanistanbesatzer, seither gegen das Übel schlechthin: Amerika.

Wegen seines größten Coups, der in den USA schlicht 9/11 genannt wird, genießt dieser Mann in der arabischen Welt den Respekt, ja die Liebe eines Popstars. Jane Bonham Carter und Darren Conway haben im Auftrag verschiedener Sender (auch des NDR) die Spuren seines bisherigen Lebens zu lesen versucht, haben mit Menschen gesprochen, die Bin Laden kennen lernten. Entstanden ist hieraus ein klirrend-eindeutiges Porträt. Bin Laden – die verletzte Seele; ein Mann, der um Aufmerksamkeit buhlte; dessen Sehnen sich auf Ursprünglichkeit, auf das gute kameradschaftliche Leben richtete; ein Politiker, der seine medialen Fäden geschickt zu ziehen versteht, auf dass die Welt ihn nicht vergisst. Und ein Held der arabischen Welt, einer ihrer wichtigsten Inspiratoren – der einzige, das belegt der Film, der zwischen Casablanca und Peschawar überhaupt Ansehen als Rebell genießt.

Bin Laden war zur rechten Zeit an den rechten Orten: Sein Terror löst mancherorts helle Begeisterung aus, als Trost dafür, von der modernen Welt mehr und mehr abgehängt zu sein. Das ist die Leistung dieser Spurensuche: Einen Mann kenntlicher zu machen, der auch ein Nachbar ist, der seine Gekränktheit nicht mehr herunterschlucken will. JAN FEDDERSEN