WER GEGEN DAS KLIMA SÜNDIGT, SOLL FÜR DEN KLIMASCHUTZ ZAHLEN
: Gelassen in den Flieger

„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“: Gegen diesen Grundsatz des Ablasspredigers Johannes Tetzel lief der Reformatoren Martin Luther vor 500 Jahren Sturm. Schließlich versprach der Klerus den Menschen, sie gegen Barzahlung von ihren Sünden freizusprechen. Wer heute fliegt und damit gegen das Klima sündigt, kann jetzt mit „Atmosfair“ dafür Geld in erneuerbare Energien oder Klimaschutz stecken – und sich guten Gewissens auf die Gangway begeben. Das böse Wort vom klimapolitischen Ablasshandel macht die Runde.

Allerdings zu Unrecht. Denn richtig angewandt ist „Atmosfair“ kein grünes Trostpflaster, sondern verwirklicht zwei zentrale Forderungen der Umweltpolitik: das Verursacherprinzip und die Verantwortung des Verbrauchers. Endlich werden die externalisierten Kosten des Flugverkehrs da angelastet, wo sie hingehören: bei den Fluggästen. Jeder einzelne Reisende zahlt für die Beseitigung seiner Umweltschäden. Anders als beim Ablasshandel fließt das Geld nicht in den luxuriösen Lebensstil einer kleinen Kaste, sondern direkt in Programme zum Klimaschutz.

Die Gegenargumente lauten: „Atmosfair“ nimmt den Druck aus den Forderungen nach einer allgemeinen Kerosinsteuer. Und: Die Leute können mit gutem Gewissen fliegen. Diese Argumente überzeugen nicht. Natürlich wäre eine Kerosinsteuer die beste Lösung. Aber ihr Aufkommen würde nicht zum Klimaschutz beitragen, sondern verschwände im Haushaltsloch. Außerdem ist sie im Moment international nicht durchzusetzen. Und Germanwatch wird seine kritischen Fragen zum Flugverkehr nicht einstellen. Das Gegenteil ist richtig: So kommt das ökologische Problem Flugverkehr wieder auf die Tagesordnung. Wer zahlt, fliegt beruhigt zum Baden nach Mallorca – wird aber durch „Atmosfair“ nachdrücklich daran erinnert, dass er auch an die Ostsee fahren könnte.

„Atmosfair“ hat einen großen Vorteil: Endlich können alle beweisen, dass die billige Forderung nach Kerosinsteuern auch tatsächlich ernst gemeint ist. Oder eben nicht. BERNHARD PÖTTER