Fotos mit dem Kriegsgegner

Bei der Schwimm-Weltmeisterschaft in Barcelona steigen auch drei Schwimmer aus dem Irak ins Becken. Medaillen werden sie nicht gewinnen, dafür aber können sie ihre Botschaften loswerden

aus Barcelona JÜRGEN ROOS

Wie Spitzenschwimmer sehen die drei jungen Männer nicht aus. Eher wie eine Touristengruppe, die bei der Schwimm-WM in Barcelona versehentlich in die Mixedzone des Palau Sant Jordi geraten ist. Genau betrachtet, sehen die drei jungen Männer nicht einmal mehr richtig jung aus. Oder lässt man sich zu gerne täuschen, wenn man weiß, woher jemand kommt und was er erlebt hat? Zaid Saud (24), Mohammed Abbas (25) und Sarmad Mohamad (28) kommen aus Bagdad. Sie sind das Schwimmteam des Irak. Und genau betrachtet hatten sie eine ganze Menge Glück, bei dieser WM überhaupt auf die Startblöcke klettern zu können.

Sarmad Mohamad, der Rückenschwimmer, hat die Geschichte schon oft erzählen müssen. So oft, dass er seine Trauer gut verbergen kann. Kriegsgeschichte eben. Ein Freund kam mit einer Splitterbombe an, spielte damit herum, die Bombe fiel auf den Boden und explodierte. Der Freund verlor das Leben und Sarmad Mohamad hatte einen Splitter im Bauch. Das war am 7. April. „Ich wusste nicht, ob ich je wieder schwimmen würde“, sagt er. Dann fummelt er das T-Shirt aus der Hose und zeigt seine Narbe, die zwanzig Zentimeter lang mitten über den Bauchnabel verläuft. Am Samstag wird Mohamad über 50 Meter Rücken starten. Er ist darüber „sehr glücklich“.

Wie die drei nach Barcelona gekommen sind? „Wir mussten uns persönlich darum kümmern“, sagt Zaid Saud, der Schmetterling-Spezialist. E-Mails schreiben, telefonieren, Faxe schicken. Es gibt kein Nationales Olympisches Komitee im Irak mehr, auch keinen Schwimmverband. „Nicht einmal eine Regierung“, sagt Saud. Ein Mann von der US-Verwaltung hat sie unterstützt und 1.600 Dollar locker gemacht, dazu kam Geld vom Welt-Schwimmverband Fina und dem spanischen Verband. Es galt ja, ein Zeichen zu setzen. Die drei Schwimmer stiegen ins Taxi, fuhren für 250 Dollar von Bagdad nach Amman und flogen schließlich nach Barcelona. Es war ein Flug in eine andere Welt. „In Bagdad geht man nur auf die Straße, wenn man lebensmüde ist“, sagt Mohammed Abbas, der Freistil und Rücken schwimmt. In Barcelona ist man plötzlich ein Teil der Glitzerwelt um Ian Thorpe und Co., wenn auch nur ein winzig kleiner Teil.

Um die Völker verbindende Wirkung des Sports zu demonstrieren, haben die drei Iraker sogar Fotos von sich und den US-amerikanischen Schwimmern machen lassen. „Zwischen uns Sportlern gibt es keine Probleme“, sagt Mohammed Abbas, „das Problem sind die Mächtigen.“ Vor dem US-Angriff hatten die Iraker noch die Möglichkeit, in Bagdad täglich im einzigen 50-Meter-Becken des Landes zu trainieren. Dann kamen die Amerikaner und besetzten das Schwimmbad. Zwischendurch durften sie wieder üben – bis eine andere US-Einheit kam und behauptete, das Wasser sei mit Chemikalien kontaminiert. Also behalfen sie sich mit Trockenübungen. Und mit der Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende sei.

Jetzt sind sie also da. Und nach den Medaillengewinnern die gefragtesten Gesprächspartner. Die Iraker nutzen ihre Chance. „Mit unserer WM-Teilnahme wollen wir eine Botschaft senden“, sagt Zaid Saud, der angehende Arzt, „die Botschaft, dass das irakische Volk stark genug ist, die Probleme im Land zu lösen.“ Wie viele ihrer Landsleute seien sie der Ansicht, dass die Amerikaner ihre Pflicht erfüllt hätten, nun aber so schnell wie möglich wieder gehen sollten. „Alle denken so“, sagt Mohammed Abbas, der Sportsoldat. Und Sarmad Mohamad, der an der Universität von Bagdad für die Schwimmausbildung zuständig ist, nickt zustimmend.