Original Wiener Schnitzel-TV

Der „kleine Kirch“ Herbert Kloiber beschert dem ORF erstmals eine private Konkurrenz: Seit Anfang Juni sendet in Österreich ATVplus – bislang allerdings noch auf dem zweifelhaften Niveau von RTL 2

aus Wien RALF LEONHARD

Seit nunmehr rund zwei Monaten hat Österreich einen privaten Fernsehkanal. Bis dahin, so wird gerne betont, war das Alpenland die letzte Nation in Europa, die sich ein öffentliches Fernsehmonopol leistete. Nicht alle Haushalte haben bisher wirklich etwas vom Fortschritt der Medienfreiheit, denn frei von Schneegestöber ist der Empfang von ATVplus bisher auf einige Bezirke der größeren Städte beschränkt. Doch angesichts der übermächtigen Konkurrenz des ORF macht ATVplus die Kinderkrankheiten des Fernsehens geradezu zu seinem Markenzeichen. Der Kanal orientiert sich am deutschen Privatsender RTL2 und am jungen Publikum, der, wie es Hauptgesellschafter Herbert Kloiber ausdrückt, „werberelevanten Zielgruppe“ der 12- bis 29-Jährigen.

Ein typischer ATVplus-Tag beginnt um 8.15 Uhr mit „Dragon Ball“, einer japanischen Zeichentrickserie mit vielen Monstern. Dann jagt mit „Knight Rider“, „Lost World“ und „Melrose Place“ ein leicht vergilbter Serienhöhepunkt den anderen. Ein Budget von 24 Millionen Euro für das etwas mehr als halbe Jahr 2003 zwingt natürlich zu einer gewissen Beschränkung. Die einzige Nachrichtensendung des Tages heißt „ATVplus aktuell“ und dauert – inklusive Werbeblock, Wetterbericht und Prominententratsch – gerade mal 15 Minuten: von 19.15 bis 19.30 Uhr. Also unmittelbar vor der „Zeit im Bild“ im ORF, zu der man sich offenbar eher als Aperitif denn als Alternative versteht.

Was als Informationsprogramm verkauft wird, ist ein bunter Mix aus Chronik und Anekdotischem rund um die Welt. Dass eine Hubschrauberentführung in Brasilien prominenter aufbereitet wird als etwa der jüngste Selbstmordanschlag in Israel, mag Geschmackssache sein. Warum aber George W. Bushs Afrikareise gänzlich fehlt und die Innenpolitik völlig ausgespart wird, bleibt das Geheimnis der Programmgestalter.

An Unterhaltungswert würde es den Turbulenzen um Finanzminister Karl-Heinz Grasser jedenfalls nicht fehlen. Nach der Werbung folgt der Wetterbericht, der manchen Zuseher rätselnd zurücklässt, wie sich denn der Himmel tatsächlich verhalten wird. Denn präsentiert wird er abwechselnd von der 26-jährigen Manuela Feris und der 19-jährigen Profitänzerin Anita Savija, die ihren Vortrag mit alten Bauernregeln oder Wetterweisheiten und erotischen Anekdoten aus aller Welt würzen. Zur weiteren Ablenkung treten die Damen – passend zur Saison – im Bikini auf. „Am Wetter kann man nichts ändern, an der Präsentation sehr wohl“, erklärt die ATVplus-Website. Man darf auf den Winter gespannt sein.

Die Moderation aller Sendungen wird von gut gelaunten Menschen bestritten, von denen nur ganz wenige das dreißigste Lebensjahr überschritten haben. Der älteste ist mit 54 Jahren Josef Broukal, der seinen Job als Anchorman im ORF kündigte, um für die SPÖ in den Wahlkampf zu steigen. Minister für Forschung und Technologie hätte er werden sollen, statt dessen landete er als Hinterbänkler im Parlament. Jetzt moderiert er jeden Samstag „Aha! Das Wissensmagazin“.

Für die hippe Antwort auf das Millionenquiz wurde der Beachvolleyball-Profi Oliver Stamm gewonnen. „The Chair – Nimm Platz in der Hölle“, so der Furcht einflößende Titel der Ratesendung, bei der die Kandidaten neben der richtigen Antwort auf eher triviale Fragen auch ihren Puls beherrschen müssen. Bei hohem Blutdruck und Herzklopfen werden Punkte abgezogen.

Der Münchner Filmhändler Herbert Kloiber gibt sich optimistisch. Für dieses Jahr rechnet er mit Werbeeinnahmen von 15 Millionen Euro, 2004 sollen es 50 sein. Voraussetzung ist, dass er bei der Zielgruppe bis Jahresende 5 Prozent Quote und nächstes Jahr mindestens 8 Prozent erreicht.

In nur 36 Monaten wäre dann der Break-even-Point erreicht. Schwarze Zahlen schreiben, davon kann man im ORF nur träumen. Gerade wurde für kommendes Jahr eine Gebührenerhöhung um 8,2 Prozent genehmigt. ATVplus wird bisher nicht als ernsthafte Konkurrenz betrachtet. Vielmehr scheint man im öffentlich-rechtlichen Sender bemüht, dem kleinen Bruder entgegenzukommen: durch Absenkung des eigenen Niveaus.