Jürgen Rüttgers, die Roadshow

CDU-Chef Rüttgers tingelt durchs Land, um sich „ganz persönlich“ vorzustellen. In Essen erntete der Ministerpräsidenten-Kandidat mit Stand-Up Comedy sowie Sidekick und Ehefrau Angelika Applaus

AUS ESSENMARTIN TEIGELER

Als CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers am Dienstag Abend sein Publikum aufwärmen wollte, erzählte er einen Witz: „Moses kommt vom Berg Sinai herab, um den Israeliten Gottes Botschaft zu verkünden: ‚Leute, es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist: ich hab‘ Ihn auf zehn heruntergehandelt. Die schlechte Nachricht: Ehebruch ist immer noch dabei.‘“ Die 120 CDU-Fans in der Lokalität „Leo‘s Casa“ haben gelacht. Der Oppositionsführer konnte bei seinem Essener Gig erzählen, was er wollte – die schwarze Basis jubelte.

Rüttgers tourt derzeit durchs Land. „Ganz persönlich“ heißt das Motto der Vorwahlkampf-Veranstaltungen, die der Ministerpräsidenten-Kandidat mit seiner Roadshow in zehn NRW-Großstädten aufführt. In Essen hatten sich vornehmlich CDU-affine Zeitgenossen eingefunden, um „den Rüttgers“ mal live zu sehen. Üppig geschminkte mittelalte Frauen in bunten Sommerkostümen, Junge-Union-Bubis mit Gel in den Haaren, dicke Männer in grauen Zweireihern.

Als Rüttgers den Saal betrat und jeden Anwesenden per Handschlag begrüßte, folgte ihm unauffällig ein Zwei-Meter-Mann. Michael Spreng, der ehemalige Medienberater von CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, arbeitet jetzt für Rüttgers, will ihn als „Einen von uns“, als menschelnden Konservativen verkaufen. 2002 versuchte Spreng erfolglos, dem „blonden Fallbeil“ aus Bayern im Medienwahlkampf Lockerheit und Sympathie anzutrainieren. Ähnlich schwer dürfte Image-Coach Spreng die Aufgabe Rüttgers fallen. Knapp ein Jahr vor der Landtagswahl sind dessen Popularitätswerte ausbaufähig. Rüttgers‘ Schwächen wurden in Essen sogar offen angesprochen. Auf einer Leinwand sahen die Zuhörer eine Straßen-Umfrage. „Der ist unnahbar“, sagte eine Passantin über JR. Ratschläge erteilte eine Rentnerin: „Rüttgers sollte mehr aus sich heraus kommen“.“

Beim anschließenden Frage-Antwort-Spiel in „Leo‘s Casa“ kam Rüttgers dann aus sich heraus. Der Christdemokrat stand in der Mitte der Kneipe und referierte über sein Leben. Den Zuhörern berichtete Rüttgers von seiner Vorliebe für Heimarbeit: „Ich mag Baumärkte.“ Das berufsbedingt knappe Familienleben des 53-Jährigen fand Erwähnung: „Die drei Kinder erzieht meine Frau.“ Angelika Rüttgers stand derweil neben ihrem Mann und pries die Vorzüge ihres Gatten: „Der regt sich nie richtig auf.“ Reichlich Beifall bekam Frau Rüttgers vor allem für ihre privaten Anekdötchen: „Als ich meinen Beruf als Erzieherin aufgeben musste, gab es Streit mit meinem Mann.“

Oft unterbrach Jürgen Rüttgers die Home Story, politisierte gegen Windräder und für Ganztagsschulen, gab sich gar als künftiger Landesvater. Nach anderthalb Stunden war die Rüttgers Show vorbei. Der Kandidat ging zu diskretem Smalltalk über. Der Alleinunterhalter an der Elektroorgel spielte dazu einen alten Billy-Joel-Song: „Just the way you are.“