Volle Breitseite für die Kultur-Kogge

Die Übergabe ihrer Bewerbungsschrift mussten die Bremer in Berlin alleine feiern, denn vom Auswärtigen Amt fühlte sich zunächst niemand zuständig und so richtig ernst nahmen die Hauptstädter die Delegation aus dem Norden wohl auch nicht

Berlin/Bremen taz ■ Die Hansekogge hat die Kulturhauptstadtsbewerbung Bremens nach Berlin gebracht. Nur dort will niemand die Ladung löschen: Seit Montag liegt der Nachbau des historischen Handelsschiffs sicher vertäut nahe des Berliner Doms. Gestern stellte Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) an Bord die Bewerbung der Hansestadt für den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010 vor. Die Oberhäupter der bremischen Partnerstädte Danzig und Riga verlasen ihre Solidaritätsbekundungen. Dann hätte die Bewerbungsschrift eigentlich an Martin Bury, den Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, offiziell übergeben werden sollen. Doch Bury hatte kurzfristig abgesagt – und auch sonst war niemand vom Auswärtigen Amt zugegen, um den stolzen Bremern ihre Fracht abzunehmen.

Bremen wird die Bewerbung jetzt offiziell am 2. Juli in der Bundeshauptstadt präsentieren, bei einem Termin mit den anderen Kulturhauptstadtsbewerbern. Dass das Auswärtige Amt die Vorabübergabe abblies, ärgert die Delegation der Hansestadt angeblich nicht. Ihm sei der Grund für die Absage Burys unbekannt, erklärte Henning Scherf. Und: „Ich finde aber, dass die Fahrt der Hansekogge auch in Bremen selbst ein Zeichen setzt.“ Ähnliches ließ auch Kulturhauptstadtsintendant Martin Heller vernehmen, der von einem „Abenteuer“ sprach, „das auch nach dem Wegfall des Anlasses in Erinnerung bleibt“. Um die Rhetorik den Verhältnissen anzupassen und statt der Bewerbungsübergabe die Identifikationswirkung für Bremen zum zentralen Gegenstand der Koggenfahrt zu machen, blieb wenig Zeit. „Wir haben erst Freitag letzter Woche davon erfahren, dass Bury nicht kommt“, sagt Jens Joost-Krüger vom Projektbüro Kulturhauptstadt. Die Städte hätten zudem sehr lange warten müssen, bis sie verbindliche Informationen zur Übergabe vom Auswärtigen Amt bekommen hätten. „Ich vermute, dass durch die Initiative Bremens dort Handlungsbedarf entstanden ist“, sagt Joost-Krüger. Bei der allgemeinen Regelung hätte man wohl keine „Extranummer“ für Bremen machen wollen.

Wenig hilfreich dürfte auch das interne Kompetenzgerangel im Auswärtigen Amt gewesen sein. Thomas Schmidt, der Leiter von Burys Büro, erzählt, dass es bis vor kurzem noch nicht klar gewesen sei, ob Bury selbst oder seine Ministerkollegin Kerstin Müller für die Kulturhauptstadtbewerbungen zuständig ist. Der Minister hätte der Bremer Übergabeidee „wohlwollend entgegengestanden“. Die Pressestelle des Auswärtigen Amts behauptet, dass das Bewerbungsverfahren stets zum Kompetenzbereichs Müllers gehört hätte. Der jetzige gemeinsame Termin der Städte sei mit ihr zusammen erdacht worden. Fakt ist: Die Bremer dürfen sich jetzt wie alle anderen auch am Tor des Auswärtigen Amts anstellen. Tatsächlich müssen die Bewerbungen dort schon zum juristischen Bewerbungsschluss am 30. Juni vorliegen, also zwei Tage vor der offiziellen Präsentation. Joost-Krüger, der gestern auf einem roten „Bremer Theaterfahrrad“ zum Auswärtigen Amt zuckelte, wollte sich vom Pförtner auf jeden Fall eine Quittung geben lassen.

Tim Ackermann