Lehrer beim Fluchtversuch

Heute treffen junge Pädagogen Bildungssenator Zöllner. Sie sind unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen und wollen in anderen Ländern lehren

Berliner JunglehrerInnen beantragen die Ausreisegenehmigung: Am heutigen Donnerstagabend wollen mehr als 100 von ihnen Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) im Abgeordnetenhaus Kopien ihrer auf dem Dienstweg bereits eingereichten Freigabeanträge überreichen. Diese sind nötig, damit sich die Pädagogen in anderen Bundesländern bewerben können. „Das ist keine Spaßaktion. Wir haben definitiv vor, uns zum kommenden Schuljahr in anderen Ländern zu bewerben“, betont Thorsten Ulrich, Sprecher der Initiative „Verbeamtung jetzt!“, die die Übergabe initiiert hat.

Ulrich und seinen Mitstreitern geht es vor allem um die ihrer Meinung nach ideologisch motivierte Ablehnung der Verbeamtung von Lehrern in Berlin. „Dabei ist die Verbeamtung der einzig praktikable und zugleich wirtschaftlich sinnvolle Weg“, sagt Ulrich. So könnten am besten die demotivierenden Einkommensunterschiede zwischen Angestellten und Verbeamteten beseitigt werden.

Die Lehrer argumentieren mit Untersuchungen, die die Verbeamtung gegenüber dem Angestelltenverhältnis auch aus finanzieller Sicht favorisieren. „Das hat etwa mit der Ausgestaltung der Altersvorsorge oder den Modalitäten bei der Krankenversicherung zu tun“, so Ulrich. Der vom Arbeitgeber für seine angestellten Lehrer abzuführende Krankenversicherungsbeitrag sei erheblich teurer als die Hälfte der Kosten, die die Beihilfestelle im Falle der Krankheit eines Beamten zu tragen habe.

Berlins Wettbewerbsnachteil bei der Verpflichtung neuer Lehrkräfte will Senator Zöllner gar nicht bestreiten: „Für die jungen Kollegen bleibt eine spürbare Einkommenslücke im Vergleich zu anderen Bundesländern, gerade zu denen, die Verbeamtungen vornehmen.“ Mit der Erhöhung der Gehälter für neu angestellte Lehrer ab Februar um 200 Euro netto habe man aber die derzeitigen tariflichen Potenziale ausgeschöpft.

Dieser Aufschlag jedoch nutzt den Mitgliedern von „Verbeamtung jetzt!“ nichts: Sie wurden zumeist zwischen 2003 und 2008 eingestellt. „Als Angestellte sind wir zudem bei der Übernahme von Funktionsstellen wie der des Fachseminarleiters an einer Schule und bei Bewerbungen um eine Stelle im Auslandsschuldienst benachteiligt“, kritisiert Thorsten Ulrich. Außerdem sei bei der Suche der Senatsverwaltung nach 165 neuen Lehrern für den Beginn des neuen Halbjahres im Februar offensichtlich geworden, wie sehr Berlin geeignete Bewerber fehlten.

Diesbezüglich forderte Zöllner in der Berliner Morgenpost bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen für die Einstellung von Lehrern. Dies sei „lächerlich“, entgegnete CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer. Rot-Rot habe im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Mechanismen des Wettbewerbs nicht verstanden.

Derweil finden die Junglehrer für ihre Forderung nach einer Rückkehr zur 2004 in Berlin abgeschafften Verbeamtung auch bei der Opposition keine Unterstützung: Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP, etwa hält „leistungsorientierte Bezahlung und neue Arbeitszeitmodelle“ für die bessere Lösung. SEBASTIAN PUSCHNER