DIE KOREA-POLITIK DER USA KANN SICH BALD ALS VERHEEREND ERWEISEN
: Comeback Kim

Jetzt endlich hat auch George Bush erkannt, was fast jede Regierung in Ostasien ihm seit Jahren zu erklären versucht: In Nordkorea spielt die Zeit für die Atomwaffenpläne von Diktator Kim Jong Il. Und nur eine aktive Diplomatie Amerikas kann Nordkorea auf seinem Weg zur Atommacht stoppen. Dabei musste der US-Präsident eine Kehrtwende machen. Schließlich hatte er selbst Nordkorea zur „Achse des Bösen“ verklärt und sich alle Zugeständnisse an Kim verbeten, solange der nicht den Beweis lieferte, seine mutmaßlichen Atomwaffen seien beseitigt. Nun aber wollen die USA dem Diktator entgegenkommen, ihm neue Öllieferungen gewähren, solange der sich nur verpflichtet, mit dem Atomabbau zu beginnen.

Washington bestätigt damit ein vor dem Irakkrieg kaum mehr für möglich gehaltenes Comebacks Kims auf der internationalen Bühne. Japans Premierminister Junichiro Koizumi war Ende Mai schon zum zweiten Mal binnen zwei Jahren bei Kim zu Gast. Seither brüstet er sich der Premier, als einziger US-Verbündeter direkt mit dem Diktator verhandeln zu können. Für Südkoreas Präsident Roo Moo Hyun wiederum gibt es ohnehin keine Alternative zum Dialog mit Kim. Das gilt auch für die Chinesen, die den Diktator kürzlich mit allen alten Bruderehren in Peking empfingen. Da fällt kaum mehr auf, dass sich UN- und EU-Delegationen in Pjöngjang die Klinke in die Hand geben. Es scheint, als wolle alle Welt Kim zum Guten bekehren.

Nun kann man all diesen Initiativen, auch der amerikanischen, nur das Beste wünschen. Doch wird man den Eindruck nicht los, dass es die Welt in Kim weder mit einem Breschnew noch mit einem Gorbatschow zu tun hat – eher mit einem kleinen Stalin. Einer, der nach außen geschickt verhandelt und im Inneren seine Untertanen gnadenlos unterdrückt. Dennoch haben die USA ihm den vermutlich realen Besitz von Atombomben gewährt, während sie im Falle Saddam Husseins den nur erdachten Besitz von Bomben als Anlass für UN-Resolutionen und schließlich den Krieg gegen Irak nahmen. Dies kann sich bald als Kardinalfehler der jüngsten Weltpolitik erweisen. GEORG BLUME