Touristen und Terroristen in Malis Wüste

Bei der Suche nach 15 in Algerien entführten Sahara-Touristen ist Mali ins Visier der Bundesregierung geraten

BERLIN taz ■ Auf höchster Ebene behandelt das westafrikanische Mali die Sorgen Deutschlands, wonach 15 seit Monaten in Algerien vermisste europäische Touristen eventuell von ihren Entführern nach Mali gebracht worden sind. Staatspräsident Amadou Toumani Touré empfing am Dienstagabend Jürgen Chrobog, Staatssekretär und Krisenstabsleiter im Auswärtigen Amt, und sagte laut AFP zu, die Bemühungen um eine Freilassung der Touristen fortzusetzen. Es gebe Hoffnung, obwohl die Geiselnehmer „sehr mobil“ seien.

Zehn Deutsche, vier Schweizer und ein Niederländer fehlen noch von den insgesamt 32 Touristen, die im Februar und März in der algerischen Sahara-Wüste verschwunden waren. 17 wurden im Mai von der algerischen Armee befreit. Als mutmaßliche Entführer gelten die Kämpfer des algerischen Islamisten- und Schmugglerkönigs Mokhtar Belmokhtar. Der lokale Führer der radikalsten islamistischen Guerilla Algeriens, die „Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf“ (GSPC), betreibt einen schwunghaften illegalen Handel mit Waffen, Fahrzeugen, Mobiltelefonen und anderen Konsumgütern in der Saharawüste.

Algeriens Armee geht davon aus, dass Belmokhtar Rückzugsgebiete in Mali hat, und entsandte schon vor meheren Monaten Fahnder in das südliche Nachbarland. Am vergangenen Sonntag setzte Malis Regierung Streitkräfte im Norden des Landes in Alarmbereitschaft, nachdem das ZDF unter Berufung auf „europäische Sicherheitskreise“ berichtet hatte, die Geiseln seien dort. Nachdem malische Sicherheitskreise das zunächst dementierten, geht die Regierung des Landes jetzt auf Nummer Sicher und stellt sich damit zugleich als verlässlicher Partner im Kampf gegen den Terror dar.

Im Visier ist eine extrem unzugängliche Region in den südlichen Ausläufern des Adrar-Gebirges, das an Algeriens Südspitze die Grenze zu Mali bildet. Die malische Zeitung Le Républicain schrieb am Dienstag, seit Monaten zirkulierten Berichte über ein dortiges Trainingslager Belmokhtars. „Die Informationen scheinen von den malischen und algerischen Behörden ernst genommen zu werden und interessieren angeblich auch die US-Regierung sehr“, so das Blatt. Im Vorfeld der Afrikareise von US-Präsident George Bush Anfang dieses Monats hatte die New York Times von US-Plänen berichtet, ein Netz kurzfristig nutzbarer Militärbasen in Afrika für den Kampf gegen al-Qaida einzurichten, und Mali als Einsatzort genannt.

Schon im Mai berichteten malische Journalisten von der Existenz einer weiteren radikal-islamistischen Gruppe in der Region nördlich von Kidal. Die von pakistanischen Predigern gegründete „Dogha“ predige einen Taliban-ähnlichen puristischen Islam. „Unter dem Deckmantel der Lieferung von Geld und Nahrungsmittelhilfe durch diese Pakistaner und Afghanen rekrutiert diese Strömung Anhänger unter den benachteiligsten sozialen Schichten Nordmalis“, zitierte AFP eine ungenannte Quelle im Sicherheitsapparat.

Die Region um Kidal sowie entlang des meistens ausgetrockneten Tilemsi-Flusstals, das sich von Kidal nach Gao erstreckt, ist ein traditioneller Unruheherd in Mali, wo Streit zwischen Tuareg-Clans und arabischen Bevölkerungsgruppen regelmäßig Tote fordert. Nach erneuten Kämpfen dieses Jahr organisierte die Regierung am 5. Juni in Gao ein „Versöhnungsfest“, auf dem die traditionellenm Führer des Tilemsi-Tals ihre Kalaschnikow-Gewehre an Präsident Touré überreichten. Zugleich verstärkte Malis Regierung ihre Militärpräsenz in der Region, um „das Gebiet gegen Banditen zu sichern“, wie Le Républicain schrieb.

Die Entwicklungen im westlichen Nachbarland Mauretanien bereiten zusätzliche Sorge. Nach einem niedergeschlagenen Putschversuch von Islamisten und Baath-freundlichen Militärs am 8. Juni sollen zahlreiche Putschisten in den Norden Malis geflohen sein, um von dort nach Libyen zu gelangen. Mauretanien hat von Mali die Erlaubnis erhalten, flüchtige Putschisten auf malischem Gebiet zu verfolgen. Eine Kooperation unzufriedener mauretanischer Militärs, malischer Schmuggler und algerischer Islamisten wäre für die Regierung Malis, eine der wenigen stabilen Demokratien Afrikas, ein Albtraum. DOMINIC JOHNSON