Aufstand der Frauen

Wal-Mart hat Mitarbeiterinnen diskriminiert – das könnte den Konzern teuer zu stehen kommen

VON BEATE WILLMS

Als Betty Dukes vor zehn Jahren als Teilzeitkassiererin für knapp 5 US-Dollar die Stunde bei Wal-Mart in Pittsburg, Kalifornien, anfing, wollte sie nur durch gute Arbeit auffallen und nach und nach ins Management aufsteigen. Aus der Karriere ist nichts geworden, dafür ist das mit dem Auffallen der heute 54-Jährigen umso besser gelungen: Für die Führungsspitze des weltgrößten Handelskonzerns ist sie inzwischen der Schrecken in Person. Dukes wirft dem Konzern vor, nicht sie persönlich, sondern Frauen insgesamt systematisch schlechter zu stellen als Männer.

Am Dienstag hat ihre bereits im Juli 2001 eingereichte Klage einen ersten juristischen Erfolg gebracht: Das US-Bezirksgericht in Nordkalifornien entschied, dass sogar eine Sammelklage zulässig ist. Bis zu 1,6 Millionen ehemalige und derzeitige weibliche Angestellte könnten sich dieser nun anschließen und von Wal-Mart Ausgleichszahlungen verlangen. Es wäre das größte Verfahren wegen sexueller Diskriminierung am Arbeitsplatz in der Geschichte der USA. Der Handelskonzern hat Berufung angekündigt.

„Ich habe mich schon in meinen ersten Monaten um Weiterbildung und Karriereplanung bemüht“, sagte Dukes der New York Times. Sie sei jedoch jahrelang nur vertröstet worden. Frei werdende Stellen seien in der Regel gar nicht erst ausgeschrieben, sondern unter der Hand mit Männern besetzt worden.

Dass es nicht nur ihr so ging, sah Richter Martin Jenkins jetzt als erwiesen an. „Die Hauptklägerinnen haben Statistiken vorgelegt, dass Frauen in Wal-Mart-Läden in jeder Region schlechter bezahlt werden als Männer“, heißt es in seiner Begründung, für die er neun Monate gebraucht hat. Auch gebe es keinen Zweifel daran, dass Frauen bei Wal-Mart länger brauchten als Männer, um in Managementpositionen zu gelangen.

Laut Gutachten der Anklage verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen bei Wal Mart durchschnittlich 6,2 Prozent oder 1.150 US-Dollar pro Jahr weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Mit längerer Unternehmenszugehörigkeit und höherer Hierarchieebene vergrößert sich der Unterschied noch: So erhalten Filialleiterinnen 89.290 US-Dollar im Jahr, ihre männlichen Kollegen streichen jedoch 16.400 Dollar mehr ein. Vergleiche mit Konkurrenten zeigen, dass diese Diskriminierung keineswegs branchenüblich ist. Auch die geringe Anzahl der Frauen in Führungspositionen ist ein Wal-Mart-Phänomen: Während der Branchenprimus lediglich 33 Prozent Managerinnen beschäftigt, kommen die 20 größten Wettbewerber auf durchschnittlich 57 Prozent.

Die Wal-Mart-Anwälte hatten diese Zahlen größtenteils unbestritten gelassen. Sie erklärten allerdings, dass Lohn- und Personalpolitik Sache der Filialen vor Ort und nicht der Zentrale seien – was so etwas wie eine Sammelklage ausschließe. Dieses Argument hatte Jenkins aber ebenso wenig gelten lassen wie das, dass eine Sammelklage zu sehr ausufern würde: „Wenn wir Diskriminierung in Unternehmen allein deswegen durchgehen lassen würden, weil sie zu groß sind, würde das das Zivilrecht komplett untergraben.“

Wal-Mart hat nun neun Tage Zeit, die angekündigte Berufung einzulegen. Richter Jenkins hat schon mal beide Parteien für Ende Juli einberufen, um die weiteren Schritte bekannt zu geben.

Trotzdem muss sich die Konzernspitze schon jetzt Gedanken darüber machen, wie es weitergeht, wenn sie vor Gericht verliert. Das Risiko lässt sich wegen der einmaligen Dimension zwar kaum abschätzen, Vergleiche mit ähnlich gelagerten kleineren Fällen deuten aber auf einen möglichen Streitwert von 6 bis 8 Milliarden US-Dollar. Wahrscheinlich wäre ein Vergleich in einer etwas kleineren Größenordnung. Dabei wird es für Wal-Mart aber nicht bleiben: Der zu erwartende Imageschaden ist riesig. Schon in den letzten Monaten hat das Unternehmen Millionen in Werbekampagnen investieren müssen, die seine Frauenfreundlichkeit unter Beweis stellen sollten. Und auch sonst hat das Unternehmen nicht nur bei den Gewerkschaften einen schlechten Ruf. Mit seiner aggressiven Preispolitik ist es in der Branche unbeliebt und hat sich auch bereits diverse Kommunalpolitiker zum Feind gemacht, die die kleinteiligen Wirtschaftsstrukturen in ihren Städten durch die Monokultur der riesigen Wal-Mart-Center gefährdet sehen.

Betty Dukes fühlt sich bei Wal-Mart jedoch keineswegs bedroht oder auch nur besonders angefeindet – immerhin gab’s erst im vergangenen Jahr, als das Verfahren schon lief, noch eine Gehaltserhöhung. Sie erklärte öffentlich, wenn es nach ihr ginge, werde sie bis zur Rente bei Wal-Mart arbeiten – in hoffentlich höherer und besser bezahlter Position.