Faire Wegekosten für ganz Europa

EU-Kommission schlägt ein ökologisch orientiertes Lkw-Mautsystem für alle vor. Die in Deutschland geplanten Subventionen für die Spediteure verstoßen möglicherweise gegen dessen Regeln. Kommissarin Palacio leitet deshalb ein Verfahren ein

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

So könnten die transeuropäischen Netze der Zukunft aussehen: Gütertransporter mit riesigen Scanner-Markierungen auf dem Dach durchqueren Europa auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. Per Satellit werden die Fahrten registriert und die Kosten berechnet: Die Kilometerpauschale steigt, wenn ein stark befahrener Streckenabschnitt erreicht wird. Teurer wird es auch, wo Lärmschutzwände eingerichtet wurden oder besonders viele Unfälle geschehen. Fahrten durch sensible Ökozonen schlagen extra zu Buche.

Kritiker bemängeln, die gestern von der zuständigen Kommissarin Loyola de Palacio vorgeschlagene neue Wegekosten-Richtlinie sei zu kompliziert. Doch wenn es darum geht, so genannte externe Kosten fair umzulegen, steckt der Teufel immer im Detail. Ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Union, 80 Milliarden Euro, könnte die Verkehrsbelastung die Gemeinschaft im Jahr 2010 kosten. Und das soll nicht länger von allen getragen werden, sondern von denen, die sie verursachen.

Kein Land muss sich an dem neuen Mautsystem beteiligen, betonte Palacio. Wer allerdings Wegzoll erhebt, muss es künftig nach den Brüsseler Kriterien tun. Sie gelten für Laster über 3,5 Tonnen Eigengewicht mit einer Fracht von mindestens 12 Tonnen. Für kleinere Transporte und den privaten Verkehr sollen Mitgliedsländer und Kommunen auch in Zukunft unterschiedliche Systeme entwickeln dürfen.

Transparenz und faire Lastenverteilung sollen den Bürgern laut EU-Kommission das neue Mautsystem schmackhaft machen. „Nur im Mittelalter war es üblich, Wegzölle zu fordern, ohne dafür einen Mehrwert oder eine andere Gegenleistung zu bieten“, heißt es in der Einführung. Im Gegensatz dazu könnten die Verkehrsteilnehmer für die neue Maut bessere und sicherere Straßen erwarten. Außerdem gebe es einen Anreiz, schadstoffarme Laster zu bauen oder auf die Schiene umzusteigen.

Auf den Vorwurf, sie fördere mit ihrer Politik einseitig den Warentransport auf der Straße, reagierte die spanische Verkehrskommissarin gereizt. „Wir werden die Schiene nicht dadurch voranbringen, dass wir die anderen Verkehrsträger benachteiligen. Die Bahn muss einfach besser werden. Denken Sie an den letzten Streik in Frankreich. Da fahndeten Unternehmer verzweifelt nach ihrem Frachtgut, keiner konnte ihnen sagen, wo es gerade steckte.“

Palacio betonte außerdem, dass Quersubventionen nach der neuen Richtlinie zulässig seien. Bis zu 25 Prozent der Mautgebühr könnten in andere Verkehrsträger gesteckt werden. Die Schweiz habe damit in den Alpen gute Erfolge erzielt. Tatsächlich ist das Schweizer Beispiel im Streit um die Ökopunkte für den Alpentransit von Umweltschützern oft angeführt worden. Palacio ist überzeugt, dass sich die österreichische Forderung nach einer Fortsetzung des Ökopunkt-Systems durch die neue Richtlinie erledigt hat. Auch Deutschland soll seine zum 1. September geplante Lkw-Maut an die neuen EU-Regeln anpassen. Eine Entlastung der deutschen Spediteure durch Rabatte bei der Mineralölsteuer wäre da-nach verboten. Alternative Vorschläge der Bundesregierung wie niedrigere Kfz-Steuern oder Förderprogramme für schadstoffarme Laster wären aber möglich. Der Mineralöl-Steuer-Deal, mit dem sich die Regierung die Zustimmung der unionsgeführten Länder im Bundesrat erkauft hatte, verstößt möglicherweise gegen die Binnenmarktregeln. Palacio leitete deshalb gestern ein Prüfverfahren ein. Der Start des Mautsystems sei dadurch nicht gefährdet, erklärte Bundesverkehrsminiser Manfred Stolpe (SPD).

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